Zukunftsland Sachsen-Anhalt
2025
Stephan Junker, Werkleiter bei AMG Lithium in Bitterfeld-Wolfen, im Lager für das hier hergestellte Lithiumhydroxid. Es ist weiß und pulverförmig.
Foto: Andreas Stedtler
ElektroMobilität
Stephan Junker, Werkleiter bei AMG Lithium in Bitterfeld-Wolfen, im Lager für das hier hergestellte Lithiumhydroxid. Es ist weiß und pulverförmig. Foto: Andreas Stedtler
Weißes Gold aus Bitterfeld-Wolfen
Von Steffen Höhne
Das Unternehmen AMG hat im Chemiepark die erste Lithium-Raffinerie Europas in Betrieb genommen. Es ist der wichtigste Rohstoff für Batterien.
Das weiße Pulver wird in Big Bags gefüllt, die 450 Kilogramm fassen. Die Rede ist von Lithiumhydroxid. Einige sprechen auch vom weißen Gold. Mitte September nahm das Unternehmen AMG Lithium offiziell in Bitterfeld-Wolfen die erste Raffinerie zur Herstellung von hochreinem Lithiumhydroxid in Europa in Betrieb. Das kristalline Material ist der wichtigste Rohstoff zur Herstellung von Batterien für Elektro-Autos. „Wir bauen eine eigene Wertschöpfungskette auf“, sagt Heinz Schimmelbusch. Der Chef der AMG-Gruppe hat nichts Geringeres vor, als die starke Abhängigkeit Europas von China bei einem der aktuell wichtigsten Rohstoffe der Welt zu brechen.
Die notwendige Erfahrung und auch die unternehmerischen Voraussetzungen für ein solch ambitioniertes Projekt bringt Schimmelbusch mit. Der bereits 80-jährige Manager leitete einst den deutschen Rohstoffkonzern Metallgesellschaft (MG) mit mehr als 58.000 Mitarbeitern. Durch eine hohe Fremdfinanzierung brach das Unternehmen Anfang der 90er Jahre zusammen. Schimmelbusch startete danach in den USA eine zweite Karriere.
140 Millionen investiert
AMG ist eines der wenigen amerikanisch-europäischen Unternehmen, das Lithium-Bergbau betreibt. Seit 2017 fördert die Firma in der brasilianischen Mine Mibra, etwa 225 Kilometer nordwestlich von Rio de Janeiro, das Leichtmetall. Lithium-Ionen-Batterien eignen sich wegen ihres geringen Gewichts und hohen Ladewirkungsgrads bestens als Stromspeicher. Die Verarbeitung des Rohstoffs und die anschließende Herstellung der Batterien findet bisher allerdings fast ausschließlich in China statt.
Für 140 Millionen Euro hat AMG nun im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen eine Raffinerie zur Aufbereitung des Lithiummaterials gebaut. In der Anlage geschieht im Prinzip nichts weiter als eine Art Reinigung und Anreicherung von angelieferten Vorprodukten. Aber erst durch diesen Prozess erhält das Lithium die Qualität für den Einsatz in E-Auto-Batterien.
Fabrik auf Ausbau angelegt
In dem neuen Werk werden in der ersten Ausbaustufe jährlich 20.000 Tonnen hochreines Lithiumhydroxid produziert. „Das reicht für Batterien von rund 500.000 Elektroautos“, veranschaulicht Stefan Scherer, Geschäftsführer AMG Lithium, die Dimension. Das weiße Pulver wird an Hersteller von Kathodenmaterial für Batterien in Ungarn und Polen geliefert. Die dortigen Fabriken werden meist von koreanischen und chinesischen Firmen betrieben.
Laut Scherer hat AMG bereits 15.000 Tonnen vertraglich gebunden. Absatzprobleme erwartet der Manager nicht: Der europäische Markt für Lithiumhydroxid soll bis 2026 auf 100.000 Tonnen wachsen. Eine starke Nachfrage nach Batteriezellen wird neben der Autoindustrie auch von Herstellern stationärer Stromspeicher erwartet. AMG Lithium hat sich auf ein hohes Marktwachstum vorbereitet. Die Fabrik in Bitterfeld-Wolfen, in der aktuell 80 Mitarbeiter arbeiten, ist modulartig geplant und kann auf eine Kapazität von 100.000 Tonnen im Jahr erweitert werden.
Doch Schimmelbuschs Pläne reichen noch viel weiter. Noch immer muss das Lithium aus der brasilianischen Mine zuvor in China aufbereitet werden, bevor es in Bitterfeld-Wolfen verarbeitet wird. „Unser Ziel ist es, eine brasilianisch-europäische Autobahn in der Lithium-Produktion aufzubauen“, sagt der Unternehmer. Für 300 Millionen Euro soll in Brasilien ein sogenannter Lithium-Konverter gebaut werden. Auch in Portugal sind Aufbereitungsanlagen geplant. Damit könnte AMG einen großen Teil der Lithium-Wertschöpfungskette abdecken. Zudem beteiligt sich Schimmelbuschs AMG auch an der Lithiumsuche im Erzgebirge, wo es größere Vorkommen gibt. Ob es sich lohnt, hierzulande zu fördern und ob die Qualität passt, wird aktuell noch untersucht. Schimmelbusch finanziert die Vorhaben bisher aus den Gewinnen der AMG-Gruppe.
Der starke Preisverfall bei Lithium in den vergangenen Monaten dürfte die Planung allerdings erschweren. Vor allem der europäische E-Auto-Markt kommt nicht wie geplant in Schwung. Lithiumcarbonat kostete Mitte 2024 etwa 10.000 US-Dollar pro Tonne, ein Jahr zuvor waren es noch 46.000 US-Dollar pro Tonne.
Der Nimbus des weißen Goldes leidet darunter. Gleichwohl wird in den kommenden Jahrzehnten im Zuge des Klimaschutzes eine Nachfrageexplosion erwartet, da fast alle Industriesektoren weltweit elektrifiziert werden sollen.
Chemiepark
Der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen ist bisher ohne größere Blessuren durch die Krisen seit 2020 gekommen. „Mir ist kein Unternehmen bekannt, das dauerhaft schließen musste“, sagt Patrice Heine, Geschäftsführer des Chemieparks.
Neben AMG investieren auch andere Unternehmen am Standort. So hat der Biokraftstoffhersteller Verbio im Mai mit dem Bau einer Fabrik zur Herstellung biobasierter Spezialchemikalien begonnen. Chemieparkchef Heine, der auch für die Ansiedlung neuer Unternehmen am Standort zuständig ist, setzt auf die klimaneutrale Transformation der Branche. „Wir wollen Chemieunternehmen bei uns ansiedeln, die für die Batterie-, Solar- und Halbleiterindustrie tätig sind“, kündigt er an.
"Die Produktion reicht für Batterien
von rund 500.000 Elektroautos."
Stefan Scherer, Geschäftsführer
Lob für Chemiestandort
Die EU-Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, dass bis 2030 zehn Prozent des kritischen Rohstoffs in Europa produziert werden. Doch Minenprojekte wie in Serbien oder dem Erzgebirge kommen bisher kaum voran. Das liegt nach Ansicht von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) auch an den Rahmenbedingungen. Die Belastungen für die Unternehmen müssten deutlich sinken. Haseloff verwies bei der Raffinerie-Eröffnung vor allem auf zu hohe Energiepreise. Schimmelbusch sieht das genauso.
Beide Männer kennen sich bereits seit zwei Jahrzehnten. Im Jahr 2004 baute das Unternehmen Puralube, das zu Schimmelbuschs Firmenverbund gehörte, bereits eine Altöl-Raffinerie in Zeitz (Burgenlandkreis) auf. Der Standort wurde seither mehrmals erweitert. „In Sachsen-Anhalt sind Investoren willkommen“, sagt Schimmelbusch. Die Behörden würden den Aufbau von industriellen Anlagen unterstützen – nicht erschweren.