Zukunftsland Sachsen-Anhalt
2024
intel magdeburg
Foto: INTEL
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GRAD MUSS DIE Temperatur betragen, wenn der Strom durch die Supraleiter des MRT fließt, sonst würde jeder Draht sofort verglühen.
Mila Wilson ist damit beschäftigt, Arbeitskräfte für den Chiphersteller zu finden. 3.000 Leute werden gesucht.
Draht zur Nachbarschaft
„Wir bauen nicht nur eine Fabrik, wir sind Teil dieser Stadt“, sagt Kerstin Kinszorra, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit bei Intel Magdeburg. Sie will eine gute Nachbarschaft zwischen dem Unternehmen und der Region herstellen. Die 44-Jährige kennt die Stadt, acht Jahre lang war sie Sprecherin der Landeshauptstadt.
Nun koordiniert sie verschiedene Aktionen: Intel-Mitarbeiter fegen beim städtischen Frühjahrsputz, sie malern eine Kita, sie stellen sich den Fragen der Einwohner auf dem Ottersleber Volks- und Heimatfest – in jenem Stadtteil, der in nächster Nachbarschaft zum Intel-Gelände liegt.
Sie ist auch bei vielen Planungsrunden dabei. Da geht es um Themen wie Energie, Wasser und Verkehrsanbindung. Das Verfahren wird vom Landesverwaltungsamt gesteuert. „Wir bereiten uns auf die Fragen vor, die durch die Öffentlichkeitsbeteiligung an uns gerichtet werden könnten.“
Trends auf der Spur
Schell ist seit anderthalb Jahren Vertriebschef bei Intel. Er untersteht direkt Intel-Chef Pat Gelsinger. Erfahrungen sammelte der 51-Jährige unter anderem bei Phillips und dem Druckerhersteller HP – dort war er für den 3-D-Druck zuständig. Der gebürtige Schwabe ist viel herumgekommen: Frankreich, Dubai, Australien, China, USA.
Es dauert „üblicherweise vier bis fünf Jahre“, bis neue Fabriken gebaut sind und produzieren, sagt Schell. Als Vertriebschef braucht er daher den richtigen Riecher: Wie leistungsfähig, wie „winzig“ müssen Chips Ende der 20er Jahre sein? Wie sieht das Auto der Zukunft aus? Wie wird künstliche Intelligenz eingesetzt? „Wir haben uns entschieden, in Magdeburg mit den fortschrittlichsten Technologien die modernsten Halbleiter herzustellen“ sagt er. Also Prozessoren, die es heute noch gar nicht am Markt gibt.
Vom richtigen Gespür für Chips hängt viel ab. Die Bestellung der passenden Maschinen etwa, mit denen Halbleiter der neuesten Generation belichtet werden. Ein Belichter, groß wie ein Bus, kostet etwa 200 Millionen Euro. Für beide Fabriken werden etwa 20 dieser Maschinen benötigt. Schells Aufgabe ist es, die Bücher mit Aufträgen zu füllen.
Die Konkurrenz schläft nicht. TSMC aus Taiwan baut eine Fabrik in Dresden, Infineon erweitert dort seine Produktion. „Das ist ein guter, gesunder Druck“, sagt Schell. Doch der Vertriebschef sieht Intel gut gewappnet. „Wir bieten Produkte, die weltweit nur wenige anbieten können.“
Die ersten 26 Mitarbeiter sind vor Ort, um die größte Investition Sachsen-Anhalts vorzubereiten.
Auf dem Acker vor den Toren Magdeburgs graben Archäologen dort, wo Intel seine Riesenfabrik bauen will. In der Innenstadt wird schon geplant. In einem Büro am Hasselbachplatz in Magdeburg arbeiten die ersten 26 Ingenieure und Manager im Dienste von Intel. Genehmigungsunterlagen werden erstellt, die Personal- und Kundensuche läuft an. Drei aus dem Team der Magdeburger Planer und Vorbereiter stellen wir hier vor.
Intel hatte jahrzehntelang vor allem Chips für Personalcomputer entwickelt und produziert. Mit den Magdeburger Fabriken stößt der Konzern ein neues Tor auf, man will auch als Auftragsfertiger tätig sein - etwa für Autohersteller. Das Unternehmen ist auf Kundensuche. „Das Interesse ist groß, denn die Industrie hat in den vergangenen Jahren leidvoll erfahren, wie schwierig es wird, wenn es an Halbleitern mangelt“, sagt Christoph Schell.
Das Gespür für Chips
Von Jens Schmidt
Kerstin Kinszorra koordiniert die Zusammenarbeit des Konzerns mit der Stadt.
Sie gehören zum Team, das die Vorarbeiten für die Ansiedlung von Intel bei Magdeburg leistet.
Christoph Schell ist Vertriebschef von Intel und ist dafür zuständig, dass die Auftragsbücher für die Magdeburger Fabriken gut gefüllt sind.
Fotos: Uli Lücke (3)
3.000 Arbeitskräfte gesucht
Einen kniffligen Job hat auch Mila Wilson. Sie ist dafür zuständig, genügend Personal zu finden. 3.000 Frauen und Männer werden für Magdeburg gesucht: vor allem Fertigungstechniker und Ingenieure. Und dies bei dem allgegenwärtigen Nachwuchsmangel und einer wachsenden Konkurrenz. Die Halbleiterhersteller in Dresden suchen sogar 4.000 neue Leute.
„Das wird nicht einfach für uns“, sagt Managerin Wilson, „aber wir haben auch viel zu bieten.“ Sie nennt: Gute Löhne, eine interessante Ausbildung auch mit Auslandsaufenthalten, eine aussichtsreiche internationale Karriere. „Von Anfang an bei so etwas Neuem und Großem dabei zu sein – das ist spannend.“
Mila Wilson, in Deutschland aufgewachsen und mit einem Engländer verheiratet, hat bereits für einige Großunternehmen Personal rekrutiert – etwa für Amazon und Shopify. Ende 2022 ging sie zu Intel. Derzeit pendelt sie zwischen Berlin und Magdeburg. Für die beiden Magdeburger Fabriken benötigt Intel nicht allein Ingenieure: Gesucht werden vor allem Facharbeiter für Mikrotechnologie und Mechatronik, sie werden etwa 70 Prozent der Belegschaft ausmachen. Mila Wilson erwartet, dass die meisten Facharbeiter aus Sachsen-Anhalt kommen werden. „Menschen mit einer Berufsausbildung sind zumeist stärker mit der Heimat verwurzelt als Akademiker.“
Im Blick hat Intel auch 40.000 Pendler, die außerhalb Sachsen-Anhalts ihr Geld verdienen. Etwa 9.000 von ihnen – so schätzt Wilson - könnten für Intel interessant sein, da sie einen technischen Beruf ausüben. Auch bei der Bundeswehr klopft Intel an. „In Deutschland gibt es sehr gut ausgebildete Zeitsoldaten.“
Intel ist bereits auf Ausbildungsmessen präsent. „2024 starten wir“, sagt sie. Zunächst mit einer kleinen Gruppe von maximal 20 Azubis. Für die ersten beiden Ausbildungsjahre wird ein Partner in Magdeburg gesucht, der den betrieblichen Part übernimmt, da Intels Fabriken noch nicht stehen. Um das Arbeiten im Reinraum zu erlernen, ist im dritten Lehrjahr eine Ausbildung in der Intelfabrik Leixlip in Irland vorgesehen. Danach würden die Facharbeiter während der Aufbauphase in den Magdeburger Fabriken eingesetzt, erklärt Wilson.
Mila Wilson möchte auch Jugendliche für Technik begeistern. So war sie mit dem Personalteam bei Berufswahlmessen. „Da haben wir auch eine VR-Brille dabei – und man kann einen virtuellen Gang durch eine Fabrik machen und sehen, was dort so passiert.“
Zwei Chipfabriken, ein Zulieferer
Wenn die EU wie allgemein erwartet Anfang 2024 die Subventionsgelder genehmigt, ist der Weg endgültig frei für die größte industrielle Ansiedlung Sachsen-Anhalts: Bis 2028/29 entstehen in Magdeburg zwei neue Chipfabriken des US-Konzerns Intel mit 3.000 Beschäftigten.
Die Investition summiert sich auf 30 Milliarden Euro. Zehn Milliarden Euro gibt der Bund, 20 Milliarden bezahlt Intel. Die Landesstraßenbaubehörde will im Herbst 2024 die Baustraßen errichten. Danach kann es losgehen. Die Bauzeit für die Fabriken beträgt vier bis fünf Jahre.
Ein erster Zulieferer hat sich angekündigt: Der IT-Spezialist „Sioux“ (Niederlande) baut in Barleben bei Magdeburg einen Betrieb mit Reinräumen und bis zu 300 Ingenieuren auf. Intel kann seinen Komplex auf bis zu acht Fabriken erweitern. JS