Zukunftsland Sachsen-Anhalt
2024
Mibrag
Thomas Lehmann, Leiter Erneuerbare Energien bei der Mibrag, steht in der Photovoltaikanlage Peres II. Foto: Andreas Stedtler
Thomas Lehmann, Leiter Erneuerbare Energien bei der Mibrag, steht in der Photovoltaikanlage Peres II. Foto: Andreas Stedtler
Kohlefirma setzt auf Sonne
Von Steffen Höhne
Mit einem milliardenschweren Investitionsprogramm will das Bergbau-Unternehmen aus Zeitz zu einem grünen Energie- und Industriedienstleister werden.
Sie funkeln in der Sonne blau: Dort wo einst Braunkohle aus dem Boden geholt wurde, reiht sich jetzt Solarmodul an Solarmodul. 66.000 Stück hat das Bergbau-Unternehmen Mibrag im vergangenen Jahr im Tagebaufeld Peres im Süden Leipzigs installiert. Peres II heißt auch der Solarpark. Die Inbetriebnahme Ende September 2023 war nach Worten von Unternehmenschef Armin Eichholz „ein ganz wichtiger Schritt“. Peres II ist der erste große Solarpark, den das Braunkohle-Unternehmen selbst errichtet hat und betreibt. Die Anlage mit einer Spitzenleistung von 37 Megawatt kann den Angaben zufolge rund 15.000 Haushalte mit grünem Strom versorgen. Es ist der Beginn eines milliardenschweren Investitionsprogramms, um aus dem Bergbau-Unternehmen einen Energie- und Industriedienstleister zu machen.
Viele Solar- und Windparks
Die Mibrag mit insgesamt 1.400 Mitarbeitern beliefert seit Jahrzehnten aus den Tagebauen Profen (Burgenlandkreis) und Vereinigtes Schleenhain (Sachsen) die Großkraftwerke Schkopau (Saalekreis) und Lippendorf (Sachsen) mit Braunkohle. Doch spätestens 2035 soll die Kohleverstromung im mitteldeutschen Revier enden, das ist gesetzlich festgelegt. Wie geht es danach weiter?
Eichholz sitzt im neuen Konferenzraum des Unternehmens in Zeitz: Dielen, Holztisch, grüne Sessel. Ein Beamer projiziert eine Präsentation an die Wand, wie der Wandel aussehen könnte. „Ein Baustein sind der Bau- und der Betrieb zahlreicher Solar- und Windparks“, sagt Eichholz. Das Unternehmen verfüge in den zwei mitteldeutschen Tagebauen und im Helmstedter Revier (Niedersachsen) über reichlich geeignete Flächen. Deren Vorteil: In den Bergbauarealen stehen die Wind- und Solaranlagen weit von Wohnbebauung entfernt, landwirtschaftlich lassen sich die Gebiete kaum nutzen. Laut den Planungen der Mibrag sollen bis Ende des Jahrzehnts insgesamt Photovoltaik-Anlagen mit einer Spitzenleistung von 630 Megawatt und Windkraftanlagen mit einer Leistung von 290 Megawatt installiert werden. „Das heißt, jedes Jahr nehmen wir eine größere Anlage in Betrieb“, so Eichholz. Die Mibrag würde damit zu einem der größten Anbieter von erneuerbaren Energien in der Region.
Schienenfahrzeuge warten
Wie aus den Plänen ersichtlich wird, will die Mibrag in den neuen Geschäftsfeldern vorrangig als Dienstleister tätig werden. Zudem werden laut Eichholz vorhandene Sparten ausgebaut. So wird die eigene Schienenfahrzeuginstandhaltung zu einem „Kompetenzzentrum Schienenfahrzeuge“ mit dem Namen „Train Service“ aufgebaut. Bereits heute betreibt das Unternehmen eine Werkbahn für den Kohletransport nach Schkopau. Es wartet die eigenen Waggons. „Künftig wollen wir auch für andere Bahn-Gesellschaften Kesselwagen und auch Triebwagen warten“, so Eichholz.
Die grüne Transformation der Mibrag kostet viel Geld, welches das Bergbau-Unternehmen aktuell im Kohlegeschäft verdienen muss. „Das ist ein schwieriger Spagat“, sagt Eichholz offen. So seien die Kohle-Absätze zuletzt deutlich gesunken. Das belaste die Bilanz des Unternehmens erheblich. Eichholz ist überzeugt, dass Deutschland für seine Energiesicherheit auf absehbare Zeit auf Braunkohle nicht verzichten kann. „Wir müssen einen vernünftigen Weg finden“, sagt der Mibrag-Chef. Für ihn heißt das: Erst die neue Energiewelt aufbauen, bevor die alte abgerissen wird.
Ein Olympiasieger plant den Kohleausstieg
Die Mitteldeutsche Braunkohle AG (Mibrag) hat ihren Sitz in Zeitz (Burgenlandkreis) und betreibt derzeit noch die Tagebaue Profen (Sachsen-Anhalt) und Vereinigtes Schleenhain (Sachsen). Kohle wird in der Region seit über 200 Jahren gefördert. Die Firma beliefert vor allem die Kraftwerke Schkopau und Lippendorf mit Braunkohle. Das Unternehmen wurde 1994 gegründet. In ihm sind über 1.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Seit 2016 ist Armin Eichholz - 1988 Olympiasieger im Ruder-Achter - Vorsitzender der Geschäftsführung. Die tschechische Holding EPH ist der alleiniger Gesellschafter der Mibrag AG. Mehr dazu auch unter: www.mibrag.de
Industriegebiet in Profen
Die Mibrag will jedoch nicht nur Ökostrom erzeugen, sondern auch speichern. Dazu soll im Tagebau Profen ein sogenannter Elektrolyseur zur Erzeugung von grünem Wasserstoff errichtet werden. Mit einer Leistung von 90 Megawatt würde die Anlage eine der größten in Deutschland werden. Ein Elektrolyseur spaltet – vereinfacht dargestellt – mit Hilfe von Solar- oder Windstrom Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff auf. Der Wasserstoff dient dann als Rohstoff etwa für Chemiefirmen, Erdgasersatz oder Energiespeicher. „Zeitweise große Stromüberschüsse durch erneuerbare Energien sollen so aufgefangen werden“, erläutert Eichholz.
Der Energieexperte verweist aber noch auf Probleme: „Während wir bereits heute Solar- und Windstrom subventionsfrei produzieren können, ist die Herstellung von grünem Wasserstoff noch auf staatliche Unterstützung angewiesen.“ Für die Umsetzung des Wasserstoff-Vorhabens hat das Bergbau-Unternehmen eine Förderung aus dem europäischen Just Transition Fund (JTF) beantragt.
Nach Worten des Unternehmenschefs ist es heute noch nicht absehbar, „wie viel grüner Wasserstoff etwa von Chemiefirmen benötigt wird und welche Zahlungsbereitschaft die Abnehmer haben“.
Aktuell gibt es weitere solche Großprojekte im Chemiedreieck: So baut das Leipziger Gas-Unternehmen VNG aktuell mit Partnern in Bad Lauchstädt (Saalekreis) einen Elektrolyseur mit einer Leistung von 30 Megawatt auf. Der erzeugte grüne Wasserstoff soll dann unterirdisch in einer Kaverne gelagert werden. Auch VNG setzt auf Abnehmer aus der Industrie. Die Chemiefirmen müssen immer mehr Geld für ihre CO2-Emissionen bezahlen. Durch grünen Wasserstoff können sie Erdgas ersetzen. Es gibt jedoch eine Reihe von Faktoren, die beeinflussen, ab wann sich das wirtschaftlich lohnt.
Damit im Kohle-Revier auch unmittelbar neue Industrie-Arbeitsplätze entstehen, soll ebenfalls am Mibrag-Tagebau in Profen ein neuer Industriepark errichtet werden. Mit einer geplanten Größe von 250 Hektar – das entspricht etwa 350 Fußballfeldern – wäre es auch eines der größten, neu erschlossenen Gewerbegebiete in Sachsen-Anhalt. Eichholz sieht die Möglichkeit, dass dort 1.500 bis 2.000 Arbeitsplätze entstehen. „Die Kombination aus der Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien und großer Ansiedlungsfläche ist für industrielle Investoren interessant“, sagt er. Durch den noch laufenden Tagebau sei die Anbindung an das Energie- sowie Wasser- und Abwassernetz bereits gegeben.