Zukunftsland Sachsen-Anhalt
2024
Mobilität
Ein Teil des Führungsteams von C1 Green Chemicals, die in Leuna ein Pilotanlage zur Produktion von Grünem Methanol aufbaut: Christop Zehe, Ralph Krähnert, Marek Checinski und CEO Christian Vollmann (v.l.n.r.). Vor 100 Jahren gelang in Leuna erstmals die industrielle Synthese von Methanol. Foto: Hans-Ulrich Köhler
Ein Teil des Führungsteams von C1 Green Chemicals, die in Leuna ein Pilotanlage zur Produktion von Grünem Methanol aufbaut: Christop Zehe, Ralph Krähnert, Marek Checinski und CEO Christian Vollmann (v.l.n.r.). Vor 100 Jahren gelang in Leuna erstmals die industrielle Synthese von Methanol. Foto: Hans-Ulrich Köhler
Leuna will mit grünem Kraftstoff durchstarten
Von Robert Briest
Für das Auto umstritten, sind synthetische Kraftstoffe - E-Fuels - für Luft- und Schifffahrt eine Hoffnung. In Leuna entstehen dafür in den nächsten Jahren zwei Pilotanlagen.
Der Traum vom sauberen Fliegen – Manfred Aigner hält ihn für realistisch. Sauber zumindest im Vergleich zur Gegenwart, in der der Luftverkehr global für fünf Prozent des menschlichen Klimaeffekts verantwortlich ist. Mit Hilfe sogenannter SAF, Sustainable Aviation Fuels, nachhaltiger Flugtreibstoffe, ließe sich der Ausstoß von CO2 um über 90 Prozent, der anderer Schadstoffe zumindest um mehr als die Hälfte reduzieren, schätzt Aigner. Er ist Leiter eines Projekts, das den Weg in diese grünere Zukunft des Fliegens ebnen soll.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) baut in Leuna eine Pilotanlage für nachhaltiges Kerosin. Ab Anfang 2024 sollen die Bagger rollen. Gefördert vom Bund investiert das DLR knapp 400 Millionen Euro, damit drei oder vier Jahre später der erste Treibstoff aus der Anlage kommt. Dessen Ausgangsstoffe sind dann anders als bei klassischem Kerosin grüner Wasserstoff und CO2 anstelle von Erdöl.
Das spielt in Leunas Gegenwart noch immer eine zentrale Rolle, insbesondere bei der Raffinerie von TotalEnergies, die viele Tankstellen in Ostdeutschland mit Sprit versorgt. Doch während für den Straßenverkehr synthetische Alternativen, E-Fuels, wegen des hohen Energieaufwandes bei der Herstellung umstritten sind, gelten sie gerade in der Luft und zu Wasser als Hoffnung.
Grünes Methanol statt Öl
Und der Chemiestandort will bei ihrer Herstellung vorn dabei sein. Diesen Anspruch erhebt der Geschäftsführer des Standortbetreibers InfraLeuna: „An Leuna führt kein Weg vorbei“, sagt Christof Günther. Gerade bei der Versorgung mit grünem Kerosin werde der Standort eine zentrale Rolle in Deutschland spielen. Günther sieht Leuna dafür gut gerüstet. Denn die Pilotanlage des DLR ist nicht die einzige, in der das Hochskalieren, der in der Chemie so wichtige Schritt zwischen Labor und Massenproduktion, einer neuen Technologie erfolgen soll.
Ende November gab das Berliner Startup C1 mit Partnern am Standort den Startschuss für sein Projekt „Leuna100“. Ort und Namen haben historischen Bezug. 1923 gelang auf dem Standort, der damals noch Ammoniakwerke Merseburg hieß, die weltweit erst industrielle Synthese von Methanol. Das damalige Verfahren werde in effizienterer Form bis heute verwendet, sagt C1-Vorstand Christian Vollmann. Sein Unternehmen will nun an selber Stelle ein, wie er sagt, weltweit neues Verfahren zur Marktreife bringen.
Methanol wird aus Synthesegas hergestellt. Das wird bisher vor allem aus Erdgas gewonnen. Das Konsortium um C1 will aber grünes Methanol, braucht deshalb nichtfossile Ausgangsstoffe. Das Synthesegas soll aus grünem Wasserstoff und am Standort ohnehin anfallendem CO2 erzeugt werden. Die eigentliche Neuheit folgt in Schritt zwei. Bisher entsteht Methanol durch heterogene Katalyse. Das Synthesegas reagiert mit Hilfe eines Festkörpers. C1 setzt auf ein homogenes Verfahren, sowohl Synthesegas, als auch Katalysator sollen in einer Flüssigkeit gelöst sein. Dadurch finde die Reaktion nicht nur an der Oberfläche des Festkörpers statt, sondern in der gesamten Flüssigkeit. 3D statt 2D-Reaktion, erklärt Vollmann den Vorteil. So könne man effizienter und damit günstiger produzieren.
Die Kosten werden ein entscheidender Punkt für die Frage, wann und in welchem Umfang E-Fuels auf den Markt drängen. Bisher sind sie noch deutlich teurer, als klassische Treibstoffe. Bei den SAF, dem grünen Kerosin, sorgt die EU für künstliche Nachfrage, indem sie zunehmende Beimischungsquoten vorschreibt. C1 sieht im Erfolgsfall eher Reedereien als künftige Abnehmer für sein grünes Methanol. „Weltweit wurden schon über 100 große Schiffe mit diesem Antrieb bestellt“, berichtet Vollmann. Die großen Frachter sind derzeit meist mit Schweröl auf den Weltmeeren unterwegs. Das ist, grob gesagt, der minderwertige Abfall, der in Erdölraffinerien zurückbleibt.
Stichwort Raffinerie: TotalEnergies, einer der Hauptsteuerzahler im Land, hat die Herstellung von E-Fuels ebenso im Blick. Sie seien zentrales Element der Nachhaltigkeitsstrategie, erklärt der Konzern. Aktuell liefen dazu verschiedene Projekte. Grüner Wasserstoff spiele dabei eine zentrale Rolle. Mit dem will die Raffinerie künftig über den Zwischenschritt Methanol Synthesekraftstoffe für den Flugverkehr herstellen. „Zusätzlich wird der Einsatz von biogenen Rohstoffen und Kunststoffabfällen zur Herstellung von Biomethanol als Kohlenstoffquelle geprüft.“
Der Strombedarf wächst
Christof Günther sieht die Raffinerie, wenn die Pilotverfahren von DLR und C1 Erfolg haben sollten, ohnehin als zentralen Akteur für nachhaltige Treibstoffe, weil dort die Infrastruktur vorhanden sei. Für den Standortchef wäre E-Fuels eine Bereicherung des Stoffverbundes, des auf Synergien ausgelegte Systems in Leuna, bei dem die Nebenprodukte der einen die Ausgangsstoffe der anderen Firma sind. Von denen erzeugen viele CO2 als Abgas. Wenn das künftig als Rohstoff für nachhaltige Treibstoffe dient, würde das die Umweltbilanz des Standorts verbessern.
Der braucht für eine Zukunft mit E-Fuels aber noch etwas und zwar in rauen Mengen: Strom, möglichst in der Kategorie grün. Die InfraLeuna plant dafür eine Solaranlage auf einer alten Halde im Westen des Standorts. Doch allein der Bedarf der Pilotanlage des DLR, die nur ein Zehntel oder Zwanzigstel der Größe späterer Produktionen hat, geht weit über deren Erzeugungskapazitäten hinaus. Die InfraLeuna plant deshalb mit Netzbetreibern bereits den Bau neuer Hoch- und Höchstspannungsleitungen, die die Energie für die Herstellung grüner Treibstoffe liefern sollen.
Strom verwerten
Power-to-x ist beim Thema Energiewende mittlerweile ein oft gebrauchter Ansatz. Er soll helfen, das Problem der Energiespeicherung zu beheben, denn im Kern geht es darum, überschüssigen Strom aus Wasser-, Wind- oder Solarquellen zur Produktion eines Stoffes zu verwenden. Das kann beispielsweise grüner Wasserstoff sein oder eben neuartige Treibstoffe.
Diese E-Fuels werden in der Praxis aber nicht nur mit Stromüberschüssen bestehender Anlagen produziert werden können. Dafür sind die Investitionskosten zu hoch, um die zu refinanzieren, brauchen die Unternehmen daher eine dauerhaft hohe Auslastung der Anlagen. Das bedeutet zusätzlichen (grünen) Strombedarf. ROB