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Matthias Lux ist der Vorstandsvorsitzende der Stadtwerke in Halle. Er bezeichnet den Umbau der Energieversorgung  als größte Herausforderung für die Stadt seit der Elektrifizierung vor 120 Jahren.
Foto: Andreas Stedtler

Energiewende

Matthias Lux ist der Vorstandsvorsitzende der Stadtwerke in Halle. Er bezeichnet den Umbau der Energieversorgung
 als größte Herausforderung für die Stadt seit der Elektrifizierung vor 120 Jahren. Foto: Andreas Stedtler

Warm  auch ohne Gas und Kohle

Von Dirk Skrzypczak

Spätestens 2045 darf nicht mehr mit fossilen Brennstoffen geheizt werden. In Halle bereiten sich die Stadtwerke darauf vor.

Die Dramaturgie des Wetters passt zum Termin mit Matthias Lux. Der Energiepark in der Dieselstraße liegt im dicken Nebel, kein Lüftchen weht. „Das ist die Inkarnation eines Novembertags. Kein Wind, keine Sonne. Und trotzdem müssen wir versorgungssicher sein und bleiben“, sagt der Geschäftsführer der Stadtwerke Halle. Ein Problem ist das bislang nicht. Neben Wind- und Solarparks, die die Stadtwerketochter EVH betreibt, werden Strom und Fernwärme in Halle aus Erdgas produziert. Doch damit ist spätestens in 20 Jahren Schluss. Dann dürfen in Deutschland keine fossilen Brennstoffe mehr – also auch kein Erdöl –  zur Energiegewinnung eingesetzt werden. Die gewaltigen Aufgaben, die auf Städte und Gemeinden dadurch zurollen, bezeichnet Lux als „größte Herausforderung für Halle seit der Elektrifizierung vor 120 Jahren“. Die Energiewende verlange Investitionen „wie nie zuvor“, und zwar für die ganze  Republik.

Wärmeplan wird Wegweiser

Damit Städte und Gemeinden nicht heillos überfordert sind, hat die Bundesregierung die Länder verpflichtet, eigene Gesetze für eine kommunale Wärmeplanung zu erlassen. Sachsen-Anhalt arbeitet daran, im zweiten Quartal 2025 soll es aber stehen. Worum geht es? Die Kommunen sollen detailliert für jeden Straßenzug ermitteln, wie dort die Wärmeversorgung der Zukunft aussehen soll. Städte wie Magdeburg und Halle mit einer Einwohnerzahl jenseits der  100.000 haben bis Juni 2026 Zeit, diesen Wärmeplan zu erstellen und von den Stadträten auch beschließen zu lassen, kleinere Kommunen bis 2028. 


„Wir können nicht warten,  bis das Gesetz in Sachsen-Anhalt steht. Wir haben uns bereits auf den Weg gemacht“, sagt Lux.  Halle müsse vor der Welle schwimmen. „Alle Städte und Gemeinden rennen los. Sie fragen die gleichen Ingenieurbüros, brauchen dieselben Planungstools. Und wenn Marktwirtschaft funktioniert, wird die Nachfrage die Preise nach oben treiben. Schnelligkeit ist also ein Vorteil von Halle.“ Das große Ziel, der Leitstrahl quasi, sei es aber, dass neben der Versorgungssicherheit auch  Strom und Wärme in Halle für die Kunden bezahlbar bleiben.


Der Energieversorger EVH muss zweigleisig planen. Einerseits geht es um die Frage, wie 240.000 Einwohner und Unternehmen künftig beliefert werden sollen. Andererseits braucht auch die EVH einen Ersatz für Erdgas. 95 Prozent der Fernwärme werden derzeit aus dem fossilen Brennstoff gewonnen. 40 Prozent aller Haushalte in Halle sind an das Fernwärmenetz angeschlossen. Auch Einfamilienhäuser setzen zumeist auf Erdgas zum Heizen. Nur vier Prozent nutzen andere Energiequellen wie Luft-Wärme-Pumpen, Biomasse oder Erdöl. „Die Voraussetzungen im Osten sind besser als in Westdeutschland. Nach der Wende hat man dort manchmal über die Fernwärme gelacht. Heute lacht keiner mehr.“

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Kilometerweit durchziehen Rohre für die  Fernwärmeversorgung die Stadt Halle.

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PROZENT des Wärmebedarfs der Stadt Halle wird über fossiles Erdgas abgedeckt. Bis 2045 muss es schrittweise ersetzt werden. 
Als Alternative gilt Wasserstoff. Doch diese Technik ist noch nicht soweit.

Ausbau der Fernwärme

Halle nutzt die Wärmeplanung, um das gesamte Energiesystem mit seinen Verästelungen bis hin zur Mobilität unter die Lupe zu nehmen. Busse im Nahverkehr etwa brauchen alternative Antriebsquellen. Mehr E-Autos erfordern auch deutlich mehr Ladestationen. Das Stromnetz stößt da schnell an seine Grenzen – zumal nun auch das Thema Wärme hinzukommt. „Wir müssen an alle denken: an die Wohnungsgesellschaften, die Privathaushalte, den Bäcker nebenan. Das sind Zehntausende Kunden. Und alle sind individuell“, sagt Lux. Doch die EVH ist in Zusammenarbeit mit der Energieinitiative – das ist ein deutschlandweit einzigartiger Verbund von Wohnungsunternehmen, Krankenhäusern, der Stadt und Unternehmen –  einen entscheidenden Schritt weiter. Die Bestandsanalyse ist fertig. Und es gibt bereits einen Blick nach vorn. Die EVH will das Fernwärmenetz ausbauen, weitere Stadtviertel an die  Versorgung anschließen. „Dieses Angebot machen wir überall dort, wo es wirtschaftlich vertretbar ist“, sagt Lux. Doch weite Teile Halles werden Alternativen brauchen. Dort dürften vor allem  Luft-Wärme-Pumpen für warme Stuben sorgen. Das wiederum erfordert den Ausbau des Stromnetzes. 

Astronomische Kosten

Die Kosten sind enorm. Laut einer gemeinsamen Studie des Bundesverbandes der deutschen Energiewirtschaft und des Verbandes kommunaler Unternehmen werden bis 2030 in Deutschland rund 720 Milliarden Euro an Investitionen notwendig sein, um die Wärmeversorgung von fossilen Brennstoffen zu entkoppeln.


 Halle muss nach derzeitigen Kalkulationen bis 2034 etwa 1,2 Milliarden Euro aufbringen. „Das entspricht nahezu dem aktuellen Zeitwert der Stadtwerke“, sagt Lux. Und diese Investitionen kämen zum Tagesgeschäft noch oben drauf. Die Finanzierung wird ebenso eine Herausforderung wie der Energieumbau. Fördermittel decken nur einen Bruchteil ab. Rund 900 Millionen Euro müssen die Stadtwerke in zehn Jahren selbst stemmen, was sie mit Krediten nicht alleine schaffen. „Wir brauchen deshalb die Unterstützung der Stadt Halle“, beschreibt es Lux. Die Diskussionen dazu werden bald beginnen.

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