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Gebaut im 16. Jahrhundert: Sina Schönefuß (links) und Franziska Knoll erforschen in Halle alte Lehmhäuser

Gebaut im 16. Jahrhundert: Sina Schönefuß (links) und Franziska Knoll erforschen in Halle alte Lehmhäuser.

Foto: Andreas Stedtler

Hausbau

Gebaut im 16. Jahrhundert: Sina Schönefuß (links) und Franziska Knoll erforschen in Halle alte Lehmhäuser.

Foto: Andreas Stedtler

Neuer alter Baustoff

Von Julius Lukas

Die Initiative GoLehm will den Lehmbau revitalisieren. Er könnte viele Probleme der Bauindustrie lösen.

Wenn Franziska Knoll über Lehm spricht, dann kommt sie gelegentlich ins Schwärmen. „Es gibt im mitteldeutschen Raum hunderttausende Lehmhäuser, die kaum jemand kennt“, erzählt die promovierte Archäologin vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt. Einige der Bauten seien bereits datiert worden – mit beeindruckendem Ergebnis. „Wir haben Gebäude gefunden, die im 15. Jahrhundert gebaut worden sind – das ist Spätmittelalter“, sagt Knoll. „Es ist doch Wahnsinn, dass die so lange gehalten haben.“

Lehm, das wird beim Gespräch mit der Wissenschaftlerin schnell klar, ist nicht nur ein langlebiger, sondern zudem ein sehr unterschätzter Baustoff. Grund genug für Franziska Knoll, die Initiative GoLehm ins Leben zu rufen. Koordiniert vom Landesamt in Halle aus und mit Bundesgeldern gefördert, setzt sich das Bündnis für den Erhalt und Einsatz des klebrigen Sand-Schluff-Ton-Gemischs ein. Über 40 Institutionen gehören bereits zum Netzwerk – von Forschungseinrichtungen über Hersteller bis hin zu Handwerkern. „Lehm ist nachhaltig und ressourcenschonend“, sagt Projektkoordinatorin Sina Schönefuß. „Rund um den Lehm könnte in Mitteldeutschland ein Industriezweig der Zukunft entstehen.“

Wissen verloren gegangen

Um den Wunderbaustoff wieder massentauglich zu machen, muss jedoch noch einige Vorarbeit geleistet werden. „Viel Wissen ist in den vergangenen 50 Jahren verloren gegangen“, sagt Franziska Knoll. Der Hauptgrund für den Schwund ist ein anderes Material: Beton. „Der war ab den 1950er-Jahren so weit entwickelt, dass er überall eingesetzt wurde“, erklärt Knoll. Mischfahrzeuge hätten den Werkstoff transportabel gemacht.

Auf Baustellen konnte er direkt in die Schalung gegossen werden, wo er schnell aushärtete – ein Vorteil gegenüber anderen Materialien.

Damit ging eine Bautradition verloren, die sich sehr lange gehalten hatte. Denn in Mitteldeutschland wird seit siebentausend Jahren mit Lehm gebaut. „Er ist überall verfügbar, weswegen die Menschen ihn für ihre Häuser nutzten“, sagt Franziska Knoll. Sie selbst gehöre zu den wenigen Forscherinnen, die sich in Europa mit dem Baustoff archäologisch befassen. „Lehm bringt die Herausforderung mit sich, dass er bei Kontakt mit Wasser zerfließt.“ Entsprechend seien tausende Jahre alte Lehmbauten nur dann erhalten, wenn sie hohen Temperaturen ausgesetzt waren. „Rein wissenschaftlich profitieren wir in der Lehm-Archäologie davon, wenn es in einer Siedlung einst gebrannt hat.“ Knoll betreut zum Beispiel die Ausgrabungen rund um das Ringheiligtum in Pömmelte (Salzlandkreis), wo in den vergangenen Jahren auch über 150 Gebäude freigelegt wurden – wahrscheinlich bis zu 5.000 Jahre alte Häuser aus Holz und Lehm. Die Tradition, mit dem klebrigen Stoff zu bauen, erhielt sich über die Jahrhunderte. In Mitteldeutschland sind sogenannte Wellerhäuser typisch, bei denen Lehm meist mit Roggenstroh gemischt wurde. „Dabei entstanden Mauern, die 80 Zentimeter dick sind – die erfüllen bereits sämtliche Energiestandards, die wir uns heute wünschen“, sagt Knoll.

Die Vorteile von Lehm als Baustoff sind vielfältig: Er ist feuchtigkeitsregulierend, geruchsneutralisierend und schadstoffbindend. Er absorbiert Schall und speichert Wärme, ist nachhaltig, weil lokal verfügbar, und gut recycelbar, weil er mit Wasser weich wird und wieder neu verarbeitet werden kann. Mit dieser Reaktion kann im Hausbau aber gut umgegangen werden. „Wenn sie ein dichtes Dach haben und der Sockel gegen Feuchtigkeit abgeschirmt wird, sind Lehmbauten extrem langlebig“, sagt Knoll.

„Es gibt hunderttausende Lehmhäuser, die kaum jemand kennt“

Franziska Knoll, Initiatorin GoLehm

Viele Forschungsprojekte

Der durch den Siegeszug des Betons hervorgerufene Wissensverlust im Umgang mit dem Naturmaterial müsse nun jedoch aufgeholt werden. „Es gibt kaum noch Handwerker und auch alle Normen, die in der Bauindustrie ja wichtig sind, wurden abgeschafft.“ In zahlreichen Projekten will GoLehm das ändern. Dabei geht es nicht nur darum wieder Akzeptanz für den Baustoff zu schaffen, sondern vor allem um den baurechtlichen Rahmen für den Lehmbau weiter auszubauen. Aktuell werde etwa an der energetischen Sanierung von Lehmbauten geforscht. „Unser Ziel ist es“, meint Franziska Knoll, „Lehm zur dauerhaften Alternative in der Bauindustrie zu machen.“

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