Zukunftsland Sachsen-Anhalt
2024
Innovative Filter
Die Geschäftsführer von Inflotec, Martina Findling und Martin Drewes. Foto: Andreas Stedtler
Der Nebel wird zur Quelle
Von Robert Gruhne
Inflotec aus Magdeburg verspricht, jegliches Wasser filtern zu können, und kann das kostbare Nass sogar dort gewinnen, wo gar keins fließt.
Dichter Nebel durchzieht die Berge von Peru. Die Orte hier oben sind viele Monate pro Jahr in Wolken gehüllt. Zuverlässige Wasserleitungen haben die Menschen hier nicht überall. Viele bekommen ihr Trinkwasser mit Tanklastern geliefert. Dabei gibt es hier oben Wasser in Hülle und Fülle - nur eben in Form von Nebel.
Das will das Magdeburger Start-up Inflotec nutzen. „Wir wollen das Wasser aus der Luft auffangen“, sagt Martina Findling, Co-Geschäftsführerin des Unternehmens. Gemeinsam mit der Wasserstiftung, die unterversorgten Menschen im globalen Süden sauberes Wasser bereitstellen will, arbeitet Inflotec an dem Projekt in der Region um die peruanische Hauptstadt Lima.
Für die Wassergewinnung kommen Nebelkollektoren zum Einsatz. An dem Gewebe bleiben die Tröpfchen hängen, wenn der Wind den Nebel durch das senkrechte Netz bläst. Das Wasser läuft dann nach unten und wird gesammelt. Laut Wasserstiftung kann ein Nebelkollektor täglich bis zu 22 Liter pro Quadratmeter auffangen. Im November war das Team von Inflotec in Peru und hat insgesamt 24 Nebelkollektoren aufgebaut. „Alles hat bestens funktioniert“, berichtet Findling.
Stromlose Technik
Inflotec wurde erst im Jahr 2020 gegründet, aber die Forschung an innovativen Wasserfiltern läuft bereits seit zehn Jahren. „Wir haben viel Entwicklungsarbeit geleistet und viel reingesteckt“, schildert Findling. Der Gründer und weitere Geschäftsführer, Martin Drewes, war zuvor zwölf Jahre bei der Bundeswehr und sah dort, wie wichtig eine sichere Versorgung mit sauberem Trinkwasser ist. Er studierte an der Hochschule Magdeburg-Stendal, wo er ein patentiertes Wasserrad entwickelte, mit dem aus einem Fluss Energie gewonnen werden kann.
Das erste Projekt von Inflotec war der „Waver“, den das Unternehmen bis heute anbietet. „Das ist praktisch ein Wasserrad auf zwei Schwimmkörpern, das durch die Strömung angetrieben wird“, erklärt die Wasserwirtschafterin Anna Radcenko, die bei Inflotec arbeitet. Auch sie hat an der Hochschule Magdeburg-Stendal studiert.
Beim Waver holt ein Siebfilter die groben Stoffe aus dem Wasser. Membranen aus Keramik filtern feinere Stoffe heraus. Keramik erweise sich als besonders widerstandsfähig gegenüber Chemikalien und sei im Vergleich mit Plastik sehr langlebig, erklärt Radcenko. Am Ende der Filterung können dem Wasser noch Mineralien hinzugefügt werden. Inflotec hat eine ähnliche Anlage wie den Waver in Kenia auch als stromlose Pumpe zur Feldbewässerung eingegesetzt.
Inflotec ist häufig in Schwellen- und Entwicklungsländern aktiv. Da, wo das Wasser gebraucht werde, gebe es laut Geschäftsführerin Findling „oft nicht die Kümmerer“, die für die Erhaltung der Anlagen sorgten. Deshalb müssten sie besonders einfach konstruiert sein, am besten voll automatisiert, selbstreinigend und mobil steuerbar.
Sauberes Wasser für alle
Gerade arbeitet das Unternehmen daran, die Filtertechnik in mobilen Kisten zu verbauen. So könnten sie zum Beispiel auch von der Bundeswehr genutzt werden, in Tiny Houses oder in Wohnmobilen - eben da, wo Wasser nicht unbedingt aus dem Hahn fließt. Die Kisten sollen dann nicht mit Wasserkraft laufen, sondern mit Solarenergie. Das Produkt ist noch nicht auf dem Markt. Aktuell läuft das Verfahren zur Zertifizierung. Das Ziel des Magdeburger Startups ist ehrgeizig. „Wir wollen einen Beitrag leisten, allen Menschen einen verlässlichen Zugang zu sauberem Wasser zu geben“, sagt Findling. Zum einen wolle man der Wasserknappheit etwas entgegensetzen und zum anderen durch Chemikalien kontaminiertes Wasser reinigen. Das Versprechen des Unternehmens ist groß: „Wir können mit unserer Filtertechnik jegliches Wasser aufbereiten.“
Weiter Weg
In den letzten zwei Jahrzehnten haben laut Unicef mehr als zwei Milliarden Menschen Zugang zu sicherem Trinkwasser erhalten, aber genauso viele Menschen haben immer noch keinen regelmäßigen Zugang. Das Trinkwasser auf der Welt ist sehr ungleich verteilt. Besonders in Afrika, Lateinamerika und Asien gibt es vielerorts Wasserknappheit. rog
22
LITER WASSER pro Tag und Quadratmeter können die Nebelkollektoren, die Inflotec in Peru gebaut hat, maximal einsammeln. Wassertröpfchen bleiben im Gewebe hängen, wenn der Wind den Nebel durchbläst.
Viele Partner unterstützen
Inflotec ist eine Ausgründung der Hochschule Magdeburg-Stendal, mit der das Unternehmen heute noch eng zusammenarbeitet. Unterstützung erhält das Start-up auch vom Medizintechnikhersteller Hasomed, der in der Magdeburger Ölweide einen Campus für junge Unternehmen geschaffen hat, wo auch Inflotec sitzt. „Wir haben sehr von den anderen Start-ups profitiert. Hier hilft man sich gegenseitig“, meint Findling. Inflotec bekam auch Fördergeld vom Bund und dem Land Sachsen-Anhalt. „Das hat uns sehr geholfen“, betont die Chefin. Inflotec hat heute acht Mitarbeiter. Die Wasserwirtschafterin Anna Radcenko, für die es der erste Job nach dem Studium ist, schätzt das Arbeiten im Start-up: „Weil das Unternehmen so klein ist, kann ich viele Bereiche übernehmen und bekomme viel vom Prozess mit.“ Die jahrelange Entwicklungsarbeit zahle sich laut Geschäftsführerin Findling auch langsam aus: „Wir machen seit 2022 Gewinne.“