Zukunftsland Sachsen-Anhalt
2025
In väterliche Fußstapfen: Benjamin John (l.) übernimmt zum Jahreswechsel den Sanitärbetrieb seines Vaters Jens John in Teutschenthal. Als neuer Chef will der 34-Jährige einiges umkrempeln. Handgeschriebene Auftragszettel etwa will er durch eine digitale Variante ersetzen. Foto: Andreas Stedtler
Generationswechsel im Handwerk
In väterliche Fußstapfen: Benjamin John (l.) übernimmt zum Jahreswechsel den Sanitärbetrieb seines Vaters Jens John in Teutschenthal. Als neuer Chef will der 34-Jährige einiges umkrempeln. Handgeschriebene Auftragszettel etwa will er durch eine digitale Variante ersetzen. Foto: Andreas Stedtler
Neuanfang in Vaters Fußstapfen
Von Max Hunger
Benjamin John gab einen gut bezahlten Job im Westen auf, um den Sanitärbetrieb seines Vaters im Saalekreis weiterzuführen. Was ihn zurück in die Heimat gelockt hat.
Das entscheidende Gespräch führten Vater und Sohn zu Weihnachten vor knapp einem Jahr. Benjamin John war zu Besuch in seiner Heimat im Saalekreis, samt seiner Frau und seinen zwei Kindern. Hier in Teutschenthal im Sanitärbetrieb seines Vaters hat der 34-Jährige einst sein Handwerk gelernt. Dann zog es den Anlagenmechaniker über Jahre ins ferne Baden-Württemberg. Sein Vater Jens John stand nun kurz vor der Rente – und machte seinem Sohn einen Vorschlag: Ob er nicht den Betrieb übernehmen will?
Benjamin John stellte das vor einen Scheideweg. Er habe eine Rückkehr nach Sachsen-Anhalt nie geplant, sagt er heute. Und im Westen hat er sich viel aufgebaut. Ein gut bezahlter Job, eine Traumwohnung, Kitaplatz, Freundeskreis. „Wirtschaftlich und landschaftlich ist es dort besser“, sagt der Familienvater. Doch trotz all dem: Benjamin John sagte zu. Zum Jahreswechsel wird er den Betrieb seines Vater übernehmen. „Heimat ist eben Heimat“, sagt er.
Nachfolge ist Kernthema
Einen Nachfolger zu finden, das ist für immer mehr selbstständige Handwerker in Sachsen-Anhalt eine Hürde. Die Nachfolge sei eine der großen Herausforderungen des Handwerks in den kommenden Jahren, betont Thomas Keindorf, Präsident der Handwerkskammer Halle (HWK). „Die Generation Babyboomer geht in kurzer Zeit in den Ruhestand und wird eine Lücke hinterlassen, die derzeit noch nicht ausgefüllt werden kann. Hier ist gesamtgesellschaftliches Handeln gefragt“, so Keindorf. Wie kann es also gelingen, mehr junge Handwerker, die gutlaufende Betriebe weiterführen wollen, ins Land zu locken? Um das zu beantworten, lohnt ein Gespräch mit dem Vater-Sohn-Gespann aus dem Saalekreis.
Ein Vormittag in Teutschenthal. Im kleinen Firmenbüro nippen Jens und Benjamin John an ihren Kaffeetassen. Die Sanitärfirma ist nun wieder ein Familienbetrieb durch und durch. Mutter Uta kümmert sich um das Büro, Benjamin John hat für sich, seine Frau und seine Kinder eine Wohnung über den Firmenräumen ausgebaut. Seine Eltern wohnen wenige Fußminuten entfernt. Das Geschäft laufe gut, Aufträge gebe es aktuell reichlich, sagt Noch-Chef Jens John. Mit zwei Mitarbeitern reparieren die Johns vor allem Heizungen von Privatleuten, richten aber auch neue Bäder ein oder installieren Wärmepumpen und Ölkessel – mitunter auch für größere Firmen. Im Sommer ist Benjamin John in seinen Lehrbetrieb nach Sachsen-Anhalt zurückgekehrt. Dafür hat er viel aufgeben müssen.
Chefs gesucht
Viele Firmen in Sachsen-Anhalt sind auf der Suche nach Nachfolgern im Chefsessel. Laut Daten der Handwerkskammer Halle (HWK) aus dem vergangenen Jahr werden in den kommenden sechs Jahren jährlich mehr als 1.550 Inhaber das Rentenalter erreichen. Die Kammer schätzt, dass so bis 2030 rund 10.600 Übergaben anstehen.
Gerade im Handwerk stockt die Firmenübergabe an die nächste Generation allerdings. Laut HWK sorgen Nachwuchsmangel und steigende Kosten für Energie und Personal immer häufiger dafür, dass ältere Inhaber eher über eine Schließung ihres Betriebs als über eine Nachfolge nachdenken. Die Kammer fordert daher Steuerentlastungen und weniger Bürokratie. HUN
"Die Generation Babyboomer wird eine Lücke hinterlassen."
Thomas Keindorf, HWK-Präsident Halle
Foto: HWK
Unruhige Zeiten
Der Generationenwechsel bedeutet für den Betrieb aber auch einen Umbruch – auf mehreren Ebenen. Die handgeschriebenen Auftragszettel will Benjamin John gegen eine digitale Variante tauschen, neue Computer anschaffen, die Firmen-IT neu aufstellen. Aber der 34-Jährige übernimmt das Steuer in unruhigen Zeiten. Die von der noch amtierenden Bundesregierung angeschobene Heizungswende habe die Kunden verunsichert, gleichzeitig hätten viele immer weniger Geld in der Tasche, erzählen Vater und Sohn.
Und dann ist da noch der Personalmangel. Ein oder zwei fähige Monteure würden sie gern einstellen, doch die seien kaum zu finden. Und auch die Bürokratie sei eine Belastung. Die Umschreibung der Firma auf seinen Sohn sei nur mit Beratung durch die Handwerkskammer und spezialisierte Anwälte gelungen, sagt Jens John. Einen Kitaplatz in der Nähe habe er nur dank alter Bekanntschaften ergattert, ergänzt sein Sohn. „Wenn man keine Kontakte in der Region hat, keine Chance.“
Mit Blick auf das Land wünscht sich Benjamin John daher noch bessere Bedingungen für Firmeninhaber. Weniger Zettelkram, flexiblere Behörden, Planungssicherheit beim Heizungsgesetz. „Ich bin ein bisschen zwiegespalten“, sagt er angesichts des Neustarts in der Heimat. Aber er freue sich auf seine neue Aufgabe. „Ich weiß, für wen ich das mache.“ Für sich, seine Familie. Sein Fazit: „Ich bereue es nicht.“
Die „Liebe“ habe ihn nach seiner Ausbildung vor über acht Jahren in den Westen gezogen, erzählt der Juniorchef. Seine Frau habe ein duales Studium in Baden-Württemberg begonnen. John trat eine Stelle bei einem großen Bauunternehmen mit rund 230 Mitarbeitern an. Er arbeitete sich zum Prokuristen hoch, baute zuletzt mehrere Firmen in Warschau, Kiew und Bukarest mit auf. Nun, in Teutschenthal, steht er wieder mit dem Werkzeugkoffer im Heizungskeller. „Ich muss jetzt wieder mit ran.“ In seiner alten Position habe er zudem rund 1.500 Euro im Monat mehr verdient, sagt der Familienvater. Er zuckt mit den Schultern. „Aber wenn es nur ums Geld geht, müsste ich nach Dubai gehen.“
Nein, wegen des Geldes ist Benjamin John nicht zurückgekehrt. Es seien die Menschen, die er vermisst habe, sagt er. In seinem letzten Wohnort Baden-Baden sei er mit seiner offenen Art oft angeeckt. „Die Badener sind total verschlossen. Hier ist alles viel offener.“ Und das „Menschliche“ sei ihm eben wichtig. In Teutschenthal gebe es zudem alles, was er und seine Familie brauchten. Arzt, Kita, Schule, das Elternhaus in Laufweite.
Aber wie ist das für Vater und Sohn, sich nun plötzlich den Arbeitsort zu teilen? Treffen da nicht auch verschiedene Sichtweisen aufeinander? „Ich gucke auch mal über die Angebote. Aber ich halte mich raus“, winkt Jens John ab. Er wird in Kürze 60 Jahre alt, will in den Ruhestand gehen, freut sich schon, seine Enkel öfter zu sehen. Dass sein Sohn nun den Betrieb übernehme, gebe ihm ein gutes Gefühl, sagt er. Denn auch hier im Ort wurden bereits mehrere Sanitärbetriebe geschlossen, weil sich kein Nachfolger fand. Vor 24 Jahren habe es noch elf Sanitärfirmen hier gegeben, sagt Jens John. „Jetzt sind es noch zwei.“