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Biotechnologie

Prof. Dr. Carola Griehl, Leiterin des Kompetenzzentrums Algenbiotechnologie an der Hochschule Anhalt in Köthen. Foto: Matthias Müller

Prof. Dr. Carola Griehl, Leiterin des Kompetenzzentrums Algenbiotechnologie an der Hochschule Anhalt in Köthen.
Foto: Matthias Müller

"Man kann mit Algen große Mengen an Biomasse ohne Ackerflächen herstellen."

Prof. Dr. Carola Griehl, Algenexpertin 

Viele Varianten

Rund 500.000 Arten von Algen existieren laut Schätzungen, erklärt Carola Griehl. In vielen unterschiedlichen Formen und Farben, mit verschiedenen Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten. „Es gibt nicht die eine Alge.“ Von dieser Vielzahl von Algenarten seien aber bislang gerade einmal 67.000 benannt und katalogisiert worden und nur wenige habe man genauer untersucht. In Köthen an der Hochschule Anhalt beispielsweise arbeite man mit rund einem Dutzend Algenstämmen. Für die Produktion großer Mengen an Biomasse hätten bislang eine Handvoll Algen Potenzial. Doch es gebe noch vieles zu entdecken und zu erforschen, betont die Professorin. Die Algenbiotechnologie sei schließlich noch eine vergleichsweise junge Disziplin. „Aus den Kinderschuhen ist sie zwar raus, sie steckt aber noch in der Pubertät“, sagt Griehl. MM

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Gebündelte Erfahrungen

Sachsen-Anhalt sei das Zentrum der deutschen Algenindustrie, sagt Griehl. Bereits 2000 entstand in Klötze in der Altmark die bundesweit erste geschlossene industrielle Algenfarm. In Dessau soll eine neue, riesige Algenfarm zur Produktion von Omega-3-Fettsäuren gebaut werden. Und für die Forschung gibt es Pläne, ein Mitteldeutsches Algenzentrum zu errichten, um die Expertise weiter zu bündeln und Ergebnisse schneller in industrielle Anwendungen zu transferieren.  

Carola Griehl wird jedenfalls nicht müde, für die Algenforschung zu werben. Vor kurzem erst hat sie eine Delegation aus Berlin an der Hochschule begrüßt, schon ist sie auf dem Sprung nach Japan, wo sie Kontakte zu anderen Algenexperten vertiefen will. Wenn sie angesichts dessen an die Anfänge in Köthen vor zwei Jahrzehnten mit einer einzigen Blasensäule zur Zucht zurückdenkt, dann muss sie schmunzeln. „Heute bin ich wirklich eine Botschafterin für die Alge – ich lebe das richtig.“

Echte Multitalente

Und nicht zuletzt könne man aus Algen ganz unterschiedliche Produkte herstellen. „Algen sind echte Multitalente.“ Sie bieten eine große Bandbreite an Inhaltsstoffen, die in Pflanzen oder anderen Mikroorganismen nur in geringen Mengen oder gar nicht zu finden seien. Entsprechend vielfältig sind die Einsatzmöglichkeiten: Feinchemikalien, Nahrungsmittel, Medikamente, Kosmetikprodukte, mögliche Energieträger – oder auch Biokunststoffe. Die sind dann beispielsweise in Schuhen enthalten, die Carola Griehl zur Anschauung mit anderen Algenprodukten auf einem Tisch zusammengestellt hat. Vom antiviralen Nasenspray bis zum Nahrungsergänzungsmittel und sogar blauem Algenbier. Bisher konzentriert sich die kommerzielle Nutzung von Mikroalgen auf wenige Stämme, die überwiegend in Form von Biomasse etwa als Futtermittel vermarktet werden. Oder aber als Lifestyle-Produkte, wie Proteinpulver aus der Spirulina, der Alge aus dem erstrampelten Smoothie, die 60 bis 70 Prozent Eiweißgehalt aufweist. 

Noch sind die Herstellungskosten teilweise zu hoch, um weitere Produkte auf den Markt zu bringen. Doch die Forscher in Köthen arbeiten ständig an der Weiterentwicklung von Verfahren, wollen Prozesse optimieren und Hindernisse bei der Verwendung von Inhaltsstoffen überwinden. Etwa, indem sie blaues Farbstoffprotein aus der Spirulina, das sogar antiviral und entzündungshemmend wirkt, hitzebeständig machen, so dass auch dieses für Backwaren verwendet werden kann. 

Im Labor kann man sehen, wie die Algen herangezogen werden. In großen Glasröhren und an ganzen Wänden mit Bioreaktoren blubbern farbige Flüssigkeiten. „Wir haben das Ziel, Biomasse zu erzeugen“, erläutert Griehl den Vorgang so einfach wie möglich. „Aus einer winzigen Algenzelle, die wir nicht einmal sehen, werden hier ganz viele – und am Ende gewinnen wir rotes, grünes oder gelbes Pulver, das wir gezielt für Produkte nutzen können.“ Dabei ist der Draht zur Wirtschaft eng, immer wieder fragen Unternehmen mit Ideen an. „Dann wissen wir hier dank unserer Forschung, welche Alge dafür in Frage kommt.“    

Die Hochschule Anhalt hat sich in der Algenforschung einen Namen gemacht. In Köthen werden nachhaltige Rohstoffe für unterschiedliche Produkte entwickelt. 

Wer zu Carola Griehl an die Hochschule Anhalt kommt, der darf erst einmal ordentlich strampeln. Auf einem Standfahrrad vor der Bürotür der Professorin treten Gäste in die Pedale, treiben dabei einen kleinen Mixer an – und schon ist der blaugrüne Algen-Smoothie fertig. Ein Saftgetränk aus Algen? „Das ist gesund, da ist viel Protein drin“, sagt Griehl lachend. Und bietet sogleich noch einige grünliche oder rötliche Kekse dazu an. Natürlich Algengebäck. 

Das alles ist nicht nur eine nette Begrüßungsgeste. Die Kostproben machen Gästen direkt das weltweit boomende Thema Algennutzung schmackhaft, zu dem in Köthen intensiv geforscht wird. Das dort ansässige „Kompetenzzentrum Algenbiotechnologie“ hat sich bundesweit wie international einen Namen gemacht. „Vor 20 Jahren habe ich hier ganz klein mit der Algenforschung angefangen“, erinnert sich Griehl. Mittlerweile haben sie und ihre Mitstreiter ein Know-how angehäuft, das seinesgleichen sucht. „Wir können hier von der Arbeit mit der einzelnen Algenzelle bis zum fertigen Produkt alles machen. Das ist das Tolle an Köthen – und das ist wohl auch einzigartig in ganz Deutschland.“ 

Doch warum gilt die Arbeit mit der Alge als Zukunftstechnologie? „Kurz gesagt: Man kann mit Algen große Mengen an Biomasse ohne Ackerflächen herstellen“, antwortet Carola Griehl. Sie wachsen in sogenannten Photobioreaktoren, die in verschiedenen Formen an so unterschiedlichen Orten wie Algenfarmen in der Wüste bis hin zu schlauchartigen Gebilden an Häuserfronten gebaut werden können. Oder sogar in Rechenzentren, die rund um den Globus für den Ausbau der digitalen Welt immer gigantischer werden und deren Abwärme direkt für die Zucht verwendet werden kann. Solche Innovationen seien enorm wichtig vor dem Hintergrund des Klimawandels, einer wachsenden Weltbevölkerung und schrumpfenden Ackerlandes pro Kopf, mahnt die Wissenschaftlerin: „Pro Mensch werden wir im Jahr 2050 nur noch rund ein Drittel der Anbaufläche zur Verfügung haben wie 100 Jahre zuvor.“ Gleichzeitig könnten Algen ihre Biomasse ohne direkten Verbrauch von fossilen Energieträgern aufbauen – bei deutlich höheren Biomasseerträgen pro Fläche als etwa Reis oder Getreidesorten. „Sie wachsen in einer nitrat- und phosphathaltigen Nährlösung und brauchen nur die Sonne als Energiequelle – und Kohlendioxid.“ Die Algen entziehen der Atmosphäre das Treibhausgas. Das werde das CO2-Problem in seiner Größenordnung nicht lösen können, aber es sei zumindest ein Beitrag, so die Leiterin des Kompetenzzentrums.

Die Zukunft leuchtet grün und gelb

Von Matthias Müller

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