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Fahrzeugbau

Prüffeld–Leiter Andreas Wienert am Prüfstand für Antriebsstränge mit einem Prototypen. Foto: Andreas Stedtler

Digitale Auto-Zwillinge 

Von Alexander Walter

Magdeburger Forscher entwickeln Verfahren, mit denen sich virtuelle Autos testen lassen

Die weiße Halle im Gewerbegebiet vor den Toren von Magdeburg wirkt auf den ersten Blick   etwas unscheinbar. Man könnte ohne Weiteres daran vorbeifahren, ohne  Notiz von ihr zu nehmen. Auch der offizielle Name:  „Center for Method Development“  (CMD)  lässt Passanten ein wenig fragend zurück.  Dabei ruhen  auf dem Innenleben große Hoffnungen. 


Erst im September offiziell eröffnet, handelt es sich um  das neueste Forschungszentrum der  Magdeburger Universität. Ziel der Forscher der 39 Millionen Euro teuren Einrichtung ist nicht weniger, als die Frage zu beantworten: Wie sieht das Auto der Zukunft aus?

Viel Material wird gespart

Klar ist: Wer die Antwort kennt, kann damit ein Vermögen verdienen.  Autobauer wie Volkswagen, BMW, Tesla oder der Konzern BYD buhlen aktuell hart wie lange nicht um  Kunden auf den Märkten in Europa, China, den USA. Millionen investieren sie dabei in die Entwicklung neuer Prototypen.  „Bislang verlaufen solche Autotests in Deutschland  dabei aber noch sehr Hardware–getrieben“, sagt Andreas Wienert, Prüffeld-Leiter am CMD, ein schlanker Mann mit kurzem, blondem Haar und Brille. 


Das  aber sei teuer und zeitaufwändig. Das CMD soll die Forschungszyklen nun deutlich verkürzen. „Unser Ziel ist es, hier den digitalen Zwilling eines Autos zu erzeugen“, erklärt Wienert.  Der Vorteil: Tests an einem komplett oder in Teilen virtuellen Auto sparen  im Vergleich zu  realen Versuchen viel Material, Geld und Zeit.  Das CMD ist dabei aber keinesfalls nur ein Rechenzentrum. Vielmehr verfügt die Einrichtung über insgesamt neun Prüfstände. So gibt es Prüfstände für Motoren,  Batterien oder einen kompletten Antriebsstrang.   Auf jedem von ihnen kann die jeweilige Komponente auf Herz und Nieren getestet werden.  


Die eigentliche Stärke des CMD liegt aber in der Vernetzung.  So können die Forscher   einzelne Teile eines Autos nach Belieben virtuell miteinander verknüpfen und  fehlende Komponenten digital ergänzen, sagt Wienert – ähnlich einem Baukastensystem.

"Autotest verlaufen oft noch sehr Hardware getrieben."

Andreas Wienert, Prüffeldleiter, CMD

Extreme Tests  

Doch das ist nicht alles: Sinn der Prüfstände ist es auch, teure Sondertests mit weiten Anfahrten unter extremen Umweltbedingungen überflüssig zu machen.


So können die Wissenschaftler etwa auf dem Batterie-Prüfstand Akkus mittels Kühlflüssigkeit auf bis zu minus 40 Grad herunterkühlen. Und so herausfinden, ob die  ausgewählte Batterie auch für den skandinavischen Winter taugen würde.  Auf dem Prüfstand für Antriebsstränge wiederum können die Forscher etwa die Wirkung von kleinen Helfer-Softwares wie ESP integrieren oder abschalten. Für alle Tests steht dem CMD reale Technik für sämtliche Antriebsarten und Kraftstoffe zur Verfügung: Benzin, Diesel, E-Fuels, Brennstoffzelle oder Wasserstoffverbrenner. 


Wenn gewünscht, werden alle Daten schließlich in einer Art Kommandozentrale – „P8“ genannt – kombiniert. Auf dieser „Kommando-Brücke“ des CM blicken die Forscher gewissermaßen auf das virtuelle Gesamtmodell ihres Fahrzeugs,  sagt der Leiter.    


Zwar hätten die großen Automobil-Hersteller selbst ähnliche Einrichtungen, sagt Wienert. Diese Anlagen aber seien wegen des Marktdruckes oft für das Testen  bereits  fest geplanter  Baureihen gebunden. 
 „Im Vergleich dazu ermöglicht das CMD eine viel offenere Forschung“, sagt Wienert. Zudem stehe der Forschungseinrichtung das geballte  Wissen der Universität zur Verfügung.  Insgesamt fünf feste Mitarbeiter und bis zu 30 Wissenschaftler verschiedener Fachbereiche der Universität stünden dafür an der Einrichtung bereit. 
 Je nach Bedarf können etwa Abschluss- oder Doktorarbeiten zu einem gewünschten Projekt vergeben werden, erklärt der Leiter. Refinanzieren soll sich das neue Forschungszentrum außer aus Förderungen vor allem auch aus Aufträgen der Industrie.  Große Automobilkonzerne etwa aus Deutschland wären dabei für die Universität ideale Partner. Kontakte zu Unternehmen  gebe es auch bereits, sagt Wienert – ebenso wie zu kleineren Firmen in Sachsen-Anhalt. 


Allerdings geht die Krise der Automobilhersteller auch am CMD nicht spurlos vorüber. „Wir spüren das schon länger“, sagt Wienert.  Viele Unternehmen hielten sich derzeit  zurück. Für die Zukunft ist der Chef dennoch optimistisch. „Die bisherigen Gespräche laufen sehr gut und wir stehen ja erst am Anfang.“

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