Zukunftsland Sachsen-Anhalt
2025


Der ländliche Raum wird neue Stärken suchen – und finden
Der Süden Sachsen-Anhalts steht mehr als 30 Jahre nach den Umwälzungen der Deutschen Einheit in den nächsten 15 Jahren vor einem erneuten Wandel.
Editorial

"Die Aufgabe des Kohlereviers ist ein scharfer Schnitt."
Marc Rath, Chefredakteur MZ
Foto: Andreas Stedtler
Und nicht nur er: Das Ende der Braunkohlegewinnung in Sachsen-Anhalt wird einen Wandel einleiten, der nicht an den Grenzen einer Region Halt macht. Zunächst einmal ist die Aufgabe des Reviers ein radikaler Schnitt. Einer, der viele schmerzt. Aber auch einer, der für möglichst viele neue Perspektiven verheißt.
Das Jahr 2022 hat uns in besonders drastischer Weise vor Augen geführt, dass ein reines "Weiter so" unweigerlich nicht nur in eine Sackgasse führt, sondern schlichtweg existenzgefährdend ist. Russlands Krieg in der Ukraine mit all seinen Konsequenzen beschleunigt Entwicklungen, die durch die Auseinandersetzungen über die Klima-Krise bereits angestoßen sind, allerdings von manchen auch noch bis vor Kurzem als irreal oder bloße Panikmache abgetan wurden.
Der Strukturwandel ist ein wichtiger Teil dieses Kurswechsels. Es wird darum gehen, nach neuen Stärken zu suchen. Das Leben auf dem Land kann und muss dabei eine ganz neue Qualität bekommen. Die Corona-Pandemie hat aufgezeigt, dass Deutschland bei der Digitalisierung extremen Nachholbedarf hat.
Ein Aufholprozess macht aus dem ländlichen Raum noch keine Metropole. Darum wird es auch nicht gehen, denn es wäre eine falsch verstandene Form der Gleichheit beziehungsweise Angleichung von Lebensverhältnissen, die man nicht vergleichen kann. Vielmehr aber bietet das Leben auf dem Land die Chancen für neue Formen des Zusammenlebens, der Daseinsvorsorge und des Wirtschaftens.
Moderne Arbeit etwa findet nicht mehr unbedingt in verglasten Bürotürmen statt, sondern ist auch mit Blick auf die Weide vom Arbeitszimmer im mobilen Büro möglich. Digitales Lernen oder eine ebensolche medizinische Erstversorgung können Alltag werden und sind wichtige Faktoren, um dem Gefühl des Abgehängtseins entgegen zu treten, um nur einmal zwei Beispiele zu nennen. Das kann zu völlig veränderten Lebensformen und einer ganz neuen Attraktivität führen, die manche Regionen auch schon als „Luxus der Leere“ bezeichnen und damit um Zuzügler aus überquellenden Städten werben.
Was von Politik und Wirtschaft mit dem spröden Begriff der Transformation beschrieben wird, kann gerade im Süden Sachsen-Anhalts beziehungsweise im Osten Deutschlands in den nächsten Jahren besonders gut gelingen. Denn es geht wieder einmal um gravierende Veränderungen, die bereits in den vergangenen 30 Jahren das Leben auf nahezu allen Ebenen geprägt haben. Mit diesen Erfahrungen ausgestattet, die bei weitem nicht nur positive waren, hat sich jedoch auch eine Kompetenz ausgeprägt, die es vielen ermöglicht, einzuschätzen, welche der neuen Wege wirklich fruchtbar oder eher nur furchtbar sein dürften.