Zukunftsland Sachsen-Anhalt
2026



Julian-Benedikt Scholle (links) und Erik May gehören zu den Gründern von byte robotics.
Foto: Andreas Stedtler
Automatisierung
Julian-Benedikt Scholle (links) und Erik May gehören zu den Gründern von byte robotics.
Foto: Andreas Stedtler
Roboter schneller fit
Von Robert Gruhne
Die Software von byte robotics aus Magdeburg macht Apps für Industrieroboter günstiger.
Es dauert seine Zeit, bis ein Roboter das tut, was er soll – Tage, Wochen, Monate. „Einen Roboter zu programmieren, verschlingt unglaublich viel menschliche Arbeit“, schildert Ingenieur Erik May. Spezialisten müssten jedem neuen Roboter in der Industrie die gewünschten Bewegungen einprogrammieren, vieles laufe nach der Methode „Trial-and-Error“. Versuch und Irrtum. Der gewünschte Effekt, Arbeitsleistung einzusparen, werde auf diesem Weg oft nicht erzielt. „Man braucht jetzt einfach andere menschliche Arbeit – und zwar teurere“, sagt May.
Um das zu ändern, hat der 40-Jährige zusammen mit vier Mitstreitern in Magdeburg das Unternehmen „byte robotics“ gegründet. „Wir haben eine Software geschrieben, die Programme für Industrieroboter automatisch herstellen kann“, sagt May, der CEO des Start-ups.
Ein Knopfdruck soll reichen und die Software von byte robotics spuckt das passende Programm für den Roboter aus. Dahinter stecken Jahre an Entwicklungsarbeit, viel Mathematik und Künstliche Intelligenz. Die Software des Start-ups soll Roboterprogramme nicht nur schneller schreiben, sondern sie auch effizienter machen. „Dadurch kann das Unternehmen die Zeit für andere Prozesse nutzen“, sagt Leona Grulich. Die 42-Jährige ist Mitgründerin und fürs Marketing zuständig.
Land an Firma beteiligt
Nicht zuletzt können Roboter für viele Unternehmen dadurch wirtschaftlich werden, weil die Kosten durch die neue Software sinken. „75 Prozent der Lebenszeitkosten eines Roboters gehen für den Programmierer drauf“, sagt Erik May. Dadurch scheuten Unternehmen den Einsatz von Robotern. Er kenne sogar Fälle, wo Firmen bereits Roboter beschafft hätten, die noch nie in Betrieb gewesen seien. Nur weil der Aufwand für das Programmieren zu groß sei.
Das Produkt von byte robotics richtet sich aber nicht an Unternehmen, die selbst Roboter verwenden, sondern an die Hersteller der Software für die Roboterprogrammierung. In diese wird das Plugin des Start-ups dann eingebettet. Das Team arbeitet gerade am Markteintritt. „Automation und Sondermaschinenbau sind verrückterweise konservative Branchen, auch wenn diese sich selbst oft gar nicht so sehen“, sagt Grulich. Aktuell laufen Demos mit potenziellen Kunden. Das Team verbringt zudem viel Zeit auf Messen, um sich bekannter zu machen, verfolgt auch den Weltmarkt.
Weltweiter Spitzenreiter ist Südkorea. Das Land hat die höchste „Roboterdichte“ weltweit. Auf zehn Arbeitnehmer in der Industrie kommt ein Roboter. Das liegt daran, dass Südkorea gleich zwei große Abnehmerbranchen für Roboter hat: die Elektronik- und die Automobilindustrie. Aber noch ein weiterer Grund ist entscheidend. Das Land hat die niedrigste Geburtenrate der Welt. Eine Südkoreanerin bekommt im Laufe ihres Lebens durchschnittlich 0,75 Kinder. Das geht zu Lasten der Wirtschaftsleistung und setzt die Sozialsysteme unter Druck.
„Wer soll die Arbeit machen, wenn alle in Rente gehen?“, fragt sich auch May im rund 8.400 Kilometer entfernten Magdeburg. Deutschland kämpft wie Südkorea mit einer alternden Bevölkerung und zu wenig Nachwuchs. Das spüren die Unternehmen auch hier deutlich.
Die Bundesrepublik ist beim Einsatz von Robotern in der Industrie heute ebenfalls führend. Die Zahl der Maschinen steigt unentwegt. May zufolge könnte Deutschland aber noch weiter sein. Roboter werden in der Industrie dort eingesetzt, wo Aufgaben sich wiederholen und Ausdauer sowie Genauigkeit wichtig sind. Letztlich sollen sie menschliche Handgriffe ersetzen.
Offiziell gestartet wurde byte robotics erst im Juni 2025. In einem Vorgängerprojekt an der Otto-von-Guericke-Universität baute das Team einen Prototyp und lotete aus, ob die Software industrietauglich ist. Das ist sie, lautete das Fazit. Geld für das Schreiben eines Businessplans und die Ausgründung gab es vom Bundeswirtschaftsministerium. Mittlerweile ist die Idee schon mehrfach preisgekrönt, unter anderem beim Gründungswettbewerb Digitale Innovationen.
In diesem Jahr stieg dann auch das Land Sachsen-Anhalt über einen der landeseigenen Risikokapitalfonds bei byte robotics ein und hält nun rund 18 Prozent an dem Unternehmen. In der Finanzierungsrunde sammelte das Start-up 1,3 Millionen Euro ein. „Mit zunehmender Automatisierung in der Industrie wächst der Bedarf an benutzerfreundlichen Programmierlösungen“, teilte Jan Alberti, Managing Partner bei bmp Ventures, die die Fonds verwalten, zum Investment mit.
„Wer soll die Arbeit machen, wenn alle in Rente gehen?“
Erik May
Geschäftsführer byte robotics
Unstete Start-up-Beratung
Das Team von byte robotics sieht sich auch langfristig in Sachsen-Anhalt. „Wir sind alle irgendwo von hier“, sagt Grulich. Sie selbst habe es nach Lebensstationen in Lüneburg, Dubai und Irland immer wieder in die Region zurückgezogen. „Es gibt kurze Wege und viele Möglichkeiten“, sagt die Diplom-Kauffrau.
Auf dem Weg zur Firmengründung hatte das Team von byte robotics aber auch mit Hürden zu kämpfen. „Viele Herausforderungen konnten wir nur durch engagierte Leute in Unternehmen und der Universität bewältigen“, sagt May.
Aus seiner Sicht ist eines der größten Defizite für Start-ups in Magdeburg: Das Gründerzentrum der Otto-von-Guericke-Universität, das Start-ups unterstützt, wird nur projektweise gefördert. Bevor ein neues Förderprogramm beginnt, entsteht oft eine Lücke – und Berater müssen gehen.
„Viele Gründerteams bleiben dadurch auf der Strecke. In Sachsen ist das anders“, meint May. Dort gebe es eine stetige Förderung. Der Jungunternehmer fordert deshalb eine Landesstrategie für Start-ups und Existenzgründungen. Bei allen Schwierigkeiten, die das Gründen mit sich bringe, mache das Arbeiten in dem neuen Unternehmen aber „viel Spaß“, sagt der Gründer. „Wir haben ein wichtiges Thema und Zuspruch aus der Industrie“, meint May.
Als Ausgleich zur Arbeit mit der Künstlichen Intelligenz findet er in Magdeburg und Umgebung auch genau den richtigen Gegenpol: die Natur. „Ich mag das Draußensein, das Weite“, sagt May. Außerdem symbolisiere es noch mehr: „Hier kann man noch frei atmen und Neues denken.“
Bedarf steigt
Die Industrie hat 2024 weltweit rund 542.000 Roboter neu installiert, wie aus einem Bericht der International Federation of Robotics hervorgeht. Insgesamt sind nun weltweit fast 4,7 Millionen Roboter in Betrieb – ein Anstieg von neun Prozent gegenüber 2023. Der größte Markt ist China.
Deutschland ist der größte Robotermarkt in Europa. 2024 wurden hier 27.000 Einheiten installiert. Das war ein Rückgang um fünf Prozent, aber immer noch das zweitstärkste Jahr. Insgesamt laufen in deutschen Fabriken rund 279.000 Einheiten. Der schwache Absatz in der Autoindustrie macht sich auch in einem Rückgang der Installation von Robotern bemerkbar. Robert Gruhne

Programmentwicklerin Anne Brahmann
Foto: Andreas Stedtler

