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Die schwarz-goldglänzende Fassade des Bitterfelder Bahnhofs soll an Kohle und Bernstein erinnern

Die schwarz-goldglänzende Fassade des Bitterfelder Bahnhofs soll an Kohle und Bernstein erinnern.
Foto: Andreas Stedtler

Mobilität

Die schwarz-goldglänzende Fassade des Bitterfelder Bahnhofs soll an Kohle und Bernstein erinnern.
Foto: Andreas Stedtler

Kohle, Bernstein, Eisenbahn

Von Alexander Schierholz

Warum Bitterfelds neuer Bahnhof als einer der nachhaltigsten im Land gilt.

Es sind diese Klebestreifen, die Karsten Kammler auf die Palme bringen. An der goldfarben glänzenden Wandverkleidung im Durchgang von den Gleisen zum Bahnhofsgebäude in Bitterfeld fixieren sie einen Aushang, der auf den Schienenersatzverkehr hinweist. Ausgerechnet hier, wo die Bahn viel Wert auf eine hochwertige Architektur legt – die Wandverkleidung nimmt den Stil der Fassade auf, die dem neuen Bitterfelder Bahnhof sein unverwechselbares Äußeres beschert. Kammlers Miene verfinstert sich kurz, als er die Klebestreifen erblickt: „Wenn man den Aushang wieder abnimmt, bleiben Kleberreste auf der Wand zurück. Dabei gibt es für solche Zwecke spezielle Folien, die sich rückstandslos entfernen lassen.“ Er schüttelt den Kopf und zückt sein Handy, um ein Foto von dem Malheur zu machen.

Allzu lange lässt sich der Bahnhofsmanager aus Halle seine Laune aber nicht vermiesen. Dazu findet Kammler „seinen“ neuen Bahnhof viel zu schön. Wer wissen will, wie Bahnhöfe der Zukunft aussehen, wie sie entworfen und gebaut sind, der muss nach Sachsen-Anhalt kommen. Die Deutsche Bahn nennt das erst im Juli eröffnete neue Bitterfelder „Empfangsgebäude“ (Bahn-Sprech) eines der nachhaltigsten und innovativsten in ganz Deutschland. Die Fassade besteht aus recycelten Aluminium-Elementen, die in ihrer schwarz-goldfarbenen Gestaltung an große Traditionen der Stadt erinnern sollen – Kohle und Bernstein. Die Photovoltaikanlage auf dem begrünten Dach versorgt das Gebäude mit Strom, beheizt wird es mit Fernwärme. Die großflächigen Fenster haben eine Hitzeschutzbeschichtung. Oberlichter lassen Tageslicht in die Bahnhofshalle, auch das soll Energie sparen.

Und wo wir schon bei der Zukunft sind: Der neue klimafreundliche Bahnhof von Bitterfeld ist nicht der einzige seiner Art im Land. 37 Bahnkilometer weiter nordöstlich steht in Wittenberg ebenfalls ein „grüner Bahnhof“. Das Ende 2016 dort eröffnete neue Empfangsgebäude ist quasi noch ein bisschen grüner als sein Pendant in Bitterfeld: Der Wittenberger Bahnhof wird mit Erdwärme beheizt, er gilt deshalb sogar als klimaneutral. In Bitterfeld habe man sich für Fernwärme entschieden, sagt Bahnhofsmanager Kammler, weil der Anschluss an das städtische Netz leicht möglich gewesen sei. „Auch Fernwärme ist klimafreundlich“, betont Kammler, der für alle Bahnhöfe in der Südhälfte Sachsen-Anhalts verantwortlich ist.

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SOLARMODULE sind auf dem begrünten Dach des neuen Bahnhofs in Bitterfeld installiert. Sie versorgen das Gebäude mit Strom; was über den eigenen Bedarf hinaus erzeugt wird, wird nach Angaben der Deutschen Bahn ins öffentliche Netz eingespeist. Die Begrünung des Dachs soll laut Bahn isolierend wirken. Sie soll das Gebäude im Sommer vor Hitze und im Winter vor Kälte schützen.

Lichtdurchflutete Halle

Bahnhöfe sind Durchgangsorte. Doch manchmal, alle Zugreisenden können ein Lied davon singen, sind längere Aufenthalte unvermeidlich. Wie sieht es also drinnen aus, im neuen Bitterfelder Bahnhof? Ein Blick in die Halle: hell, an diesem sonnigen Novembermontag lichtdurchflutet. „Viele haben ein negatives Bild von einer Bahnhofshalle – groß, kalt, ungemütlich“, sagt Kammler. „Das wollten wir nicht. Wir wollten ein transparentes und freundliches Gebäude.“

 Deshalb stehen etwa die geschwungenen Sitzbänke in der Halle auf hellem Holz, das an dieser Stelle die grauen Fußbodenfliesen ablöst. Die Sitzmöbel sind nicht von der Stange, sie weichen ab von den Standards der Bahn für die Ausstattung ihrer Bahnhöfe, wie Kammler erklärt. Für Bitterfeld sollte es eben etwas ganz Besonderes sein. Wer sich hier wegen eines Umstieges oder wegen Verspätungen länger aufhalten muss, findet ein großzügiges Café, ein Reisezentrum und einen kleinen Markt für Reisebedarf. Vom Durchgang zu den Bahnsteigen führt eine Tür zu überdachten Fahrradabstellplätzen.

 Entworfen worden ist das Gebäude von einem Team der Bahn unter der Leitung des Architekten Stephan Böning, der dafür auf Erfahrungen beim Entwurf und Bau des Bahnhofs in Wittenberg zurückgreifen konnte. Nun hoffen sie bei der Bahn, dass der neue Bitterfelder Bahnhof auch preiswürdig ist. Immerhin ist er nominiert worden für den Landesarchitekturpreis, gemeinsam mit zehn anderen Gebäuden aus Sachsen-Anhalt, die in die engere Wahl gekommen sind. Welcher dieser elf Favoriten den Preis erhalten hat, soll erst bei dessen Verleihung am 26. November in Magdeburg bekannt gegeben werden.

Während Karsten Kammler von der Nominierung erzählt, steht er vor dem Bahnhofsgebäude und wirft einen kritischen Blick auf die goldfarben glänzende Aluminiumfassade. Er deutet nach oben, deutet nach rechts, deutet nach links: „Sehen Sie, da in den Ecken fehlen Teile. Und die Spalte zwischen den einzelnen Fassadenplatten sind unterschiedlich groß. Das kann auch ein Laie erkennen.“ Aus Sicht der Bahn habe die damit beauftragte Firma nicht zufriedenstellend gearbeitet. Wenige Tage nach dem Besuch der MZ sollte die Fassade deshalb wieder abgenommen und erneut montiert werden – bereits zum zweiten Mal nach der Eröffnung des Bahnhofs im Juli. Manchmal kann Zukunft eben auch Ärger machen.

Bahnhofsmanager Karsten Kammler in der Halle des neuen Bitterfelder Bahnhofs

„Wir wollten ein transparentes und freundliches Gebäude“: Bahnhofsmanager
Karsten Kammler in der Halle des neuen Bitterfelder Bahnhofs

Foto: Andreas Stedtler

Mit Fahrrädern wird es eng

Während das Bahnhofsgebäude bereits fertig ist, baut die Bahn am Zugang zur Unterführung unter den Gleisen und zu den Bahnsteigen derzeit noch vier neue Aufzüge ein. Bis 2028 sollen auch die Bahnsteige und der Bahnhofsvorplatz samt Busbahnhof erneuert werden. Die Aufzüge sollen im Januar kommenden Jahres fertig sein. „Wir hätten sie gerne schon früher erneuert“, sagt der Bahnhofsmanager, „aber ein Einbau zeitgleich mit der Errichtung des neuen Empfangsgebäudes war nicht möglich. Dann hätten die Bauleute sich gegenseitig behindert.“

 Die neuen Fahrstühle werden allerdings kaum größer sein als die bisherigen – mit Fahrrädern wird es darin deshalb weiterhin eng werden. „Für längere Aufzüge hätten wir die Schächte komplett neu und größer bauen müssen“, erklärt Kammler. „Das hätte die Arbeiten nochmals verlängert und auch verteuert.“ Manchmal ist die Zukunft eben auch nicht so, wie man sie sich vorstellt.

Architekturpreis

Zehnmal haben das Land und die Landesarchitektenkammer seit 1995 bisher den Landesarchitekturpreis vergeben. Im Fokus stehen dabei eine hohe baukünstlerische Qualität und eine innovative Gestaltung, auch Aspekte des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit werden berücksichtigt.

 

 Unter den elf Bauten, die es im laufenden Jahr in die engere Wahl geschafft haben, hat die Jury hinter verschlossenen Türen bereits den Preisträger gekürt und fünf Auszeichnungen vergeben. Die Entscheidung wird aber bis zur Preisverleihung am 26. November geheim gehalten. Alexander Schierholz

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