Zukunftsland Sachsen-Anhalt
2026



Carsten Krause (links) und Uwe Stein bedienen die Anlage, mit der die Balance Erneuerbare Energie GmbH in Alterode, Südharz, aus Biogas Strom und Wärme macht. FOTOS: ANDREAS STEDTLER
Strukturwandel
Carsten Krause (links) und Uwe Stein bedienen die Anlage, mit der die Balance Erneuerbare Energie GmbH in Alterode, Südharz, aus Biogas Strom und Wärme macht. FOTOS: ANDREAS STEDTLER
Biogas soll Harzer Häuser heizen
Von Steffen Höhne
In Alterode werden bereits ein Pflegeheim und Einfamilienhäuser über ein grünes Nahwärmenetz versorgt.
Die Wärmeversorgung in Deutschland soll grün werden: Erneuerbare Energien mit geringem CO2-Abdruck sollen Gas- und Ölheizungen ersetzen. In Großstädten wollen Stadtwerke dafür das Fernwärmenetz ausbauen. Für Einfamilienhäuser empfehlen Experten den Einsatz von Wärmepumpen. Auch in den ländlichen Regionen müssen Wärmepläne erstellt werden. Im Blickpunkt stehen unter anderem Biogasanlagen zum Aufbau kleiner Nahwärmenetze. Es gibt viele Ankündigungen – umgesetzt sind bisher nur wenige Projekte. Können Biogasanlagen Dörfer mit Wärme versorgen?
Am Ortsrand von Alterode im Südharz betreibt das Unternehmen Balance Erneuerbare Energie mit Sitz in Leipzig seit 2020 eine Biogas-Anlage. Landwirte aus dem Umkreis von 25 Kilometern fahren unter anderem Mais-Silage und Mist an. In einem Gärprozess entsteht Biogas, das durch Verbrennung in einem Motor zur Stromerzeugung genutzt wird. „Rein rechnerisch kann die Anlage 900 Haushalte mit Strom versorgen“, sagt Axel Schlobach, Regionalleiter bei der Balance Erneuerbare Energie GmbH. Ein großer Teil der anfallenden Wärme wurde in der Vergangenheit allerdings einfach in die Luft geblasen.
Doch seit Anfang des Jahres ist mit dieser Energieverschwendung Schluss. Das Unternehmen hat in dem 500-Einwohner-Ort ein erstes, kleines Wärmenetz aufgebaut. Straßen und Fußwege wurden aufgerissen, um Leitungen zum Pflegeheim „Seniorenhaus Mühlenhof“, einer Betriebshalle und zwei weiteren Einfamilienhäusern zu legen. „Seit Februar 2025 beliefern wir die Objekte. Die Wärmelieferung kommt konstant“, sagt der vor Ort verantwortliche Balance-Mitarbeiter Benjamin Graulich. Mit den Kunden gebe es langfristige Abnahmeverträge.
"Wir wollen weitere Haushalte
im Ort an das Wärmenetz anschließen."
Axel Schlobach, Balance-Regionalleiter
Investiert wurde bisher den Angaben zufolge ein unterer sechsstelliger Betrag. Das Unternehmen, das eine Tochter des Leipziger Gaskonzerns VNG ist, muss das Projekt zunächst aus eigenen Mitteln finanzieren. Läuft es, gibt es staatliche Zuschüsse zu den Investitionskosten.
Die Versorgung des Altenheims soll jedoch erst der Anfang sein. Im November gab es eine Bürgerversammlung, in der die weiteren Pläne zum möglichen Ausbau vorgestellt wurden. „Wir wollen weitere Haushalte im Ort an das Wärmenetz anschließen“, sagt Schlobach.
Billiger als Gas und Öl
Das Unternehmen wirbt damit, dass die Kosten für den Wärmebezug unter denen von Gas und Öl liegen. „Wir müssen den Bürgern einen Anreiz bieten, um auf ein neues System umzusteigen“, erklärt Schlobach. Eine gesetzliche Anschlusspflicht gebe es nicht.
Häufig wird den Balance-Managern auch die Frage gestellt: Wie sicher ist die Versorgung? Seit 2013 läuft die Biogasanlage, die Landwirte liefern verlässlich die Rohstoffe dafür. „Einen Ausfall durch eine kurzzeitige Betriebsstörung können wir allerdings nicht ausschließen“, sagt Graulich. Daher würden alle neuen Kunden auch ihre bisherigen Versorgungssysteme als Backup behalten.
Ein weiterer Vorteil der Wärmeversorgung mit Biogas besteht laut Schlobach darin, dass – anders als bei Wärmepumpen mit Niedrigtemperatursystem – das bestehende Heizsystem etwa mit Heizkörpern an der Wand weiter genutzt werden kann. Fachleute sprechen von der sogenannten Hartwärme, die bei 80 bis 85 Grad Celsius liegt.
„Die Investitionskosten aufseiten des Hauseigentümers bestehen nur in der Wärmeübergabestation“, so der Balance-Regionalleiter. Diese würden sich auf einen niedrigen vierstelligen Betrag belaufen. „Wir kommen mit unserer Leitung ganz normal wie eine Gasleitung an das Haus der Kunden ran.“ Für die Kunden sei es daher auch vergleichsweise einfach, auf eine grüne Wärmeversorgung umzusteigen.
Laut Gebäudeenergiegesetz muss jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien laufen. Für Bestandsgebäude gibt es langfristige Übergangsfristen. Aufgrund steigender Kohledioxidpreise wird der Betrieb von Gas- und Ölheizungen mittelfristig teurer.
Auch die VNG-Tochter hat ein gesteigertes Interesse an der Nutzung der Wärme. Für den mit der Biogasanlage produzierten Strom gibt es eine staatlich festgelegte Vergütung. Doch 20 Jahre nach Betriebsbeginn fallen die Anlagen aus der sogenannten EEG-Förderung heraus. Das heißt, der Strom muss dann am Markt verkauft werden. „Die Wärmenutzung kann ein wichtiger Baustein sein, damit die Anlagen wirtschaftlich arbeiten“, sagt Schlobach. Der Aufbau eines Wärmenetzes sei allerdings nicht überall möglich, da einige Biogasanlagen zu weit von Ortschaften entfernt stünden.

Benjamin Graulich ist der
Projektverantwortliche der
Leipziger Balance-GmbH
Zukauf von Anlagen
Im Oktober 2025 hat das Unternehmen zehn weitere Biogasanlagen erworben. Balance betreibt insgesamt an mehr als 40 Standorten in Nord- und Ostdeutschland Anlagen. Bei einem Drittel davon gibt es inzwischen Wärmenetz-Projekte. „Wir sehen überall eine erhöhte Nachfrage“, sagt Schlobach. Es müsse aber an jedem Standort einzeln geprüft werden, ob sich ein Aufbau einer Wärmeversorgung lohne. Der Balance-Regionalleiter sagt: „Es ist kein Sprint, die Investitionskosten wieder reinzuholen, das ist ein Marathon.“
Strom für neun Millionen Haushalte
Die Balance Erneuerbare Energien GmbH ist eines der führenden Unternehmen für den Betrieb von Biogasanlagen in Deutschland. Mit über 40 Anlagen in Nord- und Ostdeutschland und einer Feuerungswärmeleistung von rund 199 MWFWL versorgt Balance rechnerisch rund 180.000 Haushalte mit klimafreundlicher Energie. Das Unternehmen mit Sitz in Leipzig ist eine Tochter der VNG AG sowie des Infrastrukturinvestors CVC DIF und beschäftigt mehr als 200 Mitarbeiter.
Derzeit erzeugen in Deutschland etwa 9.600 Biogasanlagen eine elektrische Leistung von mehr als 5.600 Megawatt. Sie liefern Strom für mehr als neun Millionen Haushalte. Hinzu kommt die erzeugte Wärme, die ausreichend für über 2,5 Millionen Haushalte ist und etwa zehn Prozent der produzierten erneuerbaren Wärme ausmacht. Steffen Höhne