Zukunftsland Sachsen-Anhalt
2026


Neues Viertel statt gewaltiger Industriebrache
Das Gelände des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerks (RAW) hat etwas von Grimms Märchen.
STÄDTEBAU

Robert Weber, Geschäftsführer der Entwicklungsgesellschaft Industriegebiet Halle-Saal-Kreis
Foto: EVG
Wie ein Dornröschenschloss, verborgen hinter Hecke und Zäunen, liegt die gewaltige Industrieanlage vor den Blicken der Öffentlichkeit versteckt zwischen der Delitzscher Straße und dem Hauptbahnhof. 20 Hektar ist die Brache groß. 28 Fußballfelder könnte man hier bauen. Doch die Stadt verfolgt andere Pläne. Als Leuchtturmprojekt des Strukturwandels soll auf dem Gelände ein modernes Viertel entstehen, ein Cyber-Quartier mit IT-Campus, Restaurants, vielleicht sogar einem Hotel.
Ohne Fördermittel igen würde sich das Gelände nie wirtschaftlich entwickeln lassen. Und hier kommt der Kohleausstieg ins Spiel. Halle gehört zum Braunkohlerevier und soll ebenfalls von jenen Millionen Euro profitieren, die der Bund zur Verfügung stellt, um die Bergbauregionen zu unterstützen, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Eine dreistellige Millionensumme soll in das RAW fließen – in seine Erschließung, in die Altlastensanierung, den Bau von Straßen. Danach sollen sich Investoren hier ansiedeln. Doch noch steckt der Teufel im Detail, besser gesagt im Erdreich. Über Jahrzehnte konnten zum Teil auch giftige Stoffe ungehindert in den Boden eindringen. Seit Jahren wird daher über eine Anlage bereits das Grundwasser vor Ort entnommen und gereinigt – ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Doch für die Entwicklungsgesellschaft Industriegebiet Halle-Saalkreis (EgIG), die im Auftrag der Stadt das Areal entwickeln soll, wird Halles Megaprojekt ein Wettlauf mit der Zeit. Und ein gefährlicher noch dazu. 1996 wurde das RAW als Bahnwerk aufgegeben. Seitdem verfallen die großen Hallen und Gebäude. Sich in die Ruinen zu begeben, ist lebensgefährlich. Doch Gutachter müssen die die Fragmente mit ihren eingestürzten Dächern und Wänden. Das Außengelände wurde bereits nach Altlasten abgesucht, nun geht in den Immobilien weiter. Bis Herbst 2026 soll der Altlasten-Sanierungsplan stehen, bis 2029 das giftige Erbe Geschichte sein.
Ob und wie die zwischen 1863 und 1872 errichteten Gebäude indes überhaupt zu retten sein werden, weiß derzeit keiner. „Wir wollen natürlich, dass die historischen Wurzeln des RAW erkennbar bleiben“, sagt Robert Weber, Geschäftsführer der EgIG. Noch gehört das RAW zum größten Teil dem Bundeseisenbahnvermögen. Doch die Bundesbehörde hat längst ihre Bereitschaft zum Verkauf signalisiert.
Fast 120 Millionen Euro soll Halle aus dem Strukturwandelfonds bekommen, um das RAW auf seine neue Zukunft als Vorzeige-Stadtviertel vorzubereiten. Erste Investoren hatten laut Weber schon man Interesse bekundet. Bis dort allerdings gebaut werden kann, werden noch mindestens fünf Jahre vergehen.
Dirk Skrzypczak