Zukunftsland Sachsen-Anhalt
2026



Christian Hummert, Forschungsdirektor der Cyberagentur Halle. An seinem Kopf ist Technik befestigt, die es möglich machen soll, Gedanken direkt in Computer zu übertragen.
Foto: Andreas Stedtler
Strukturwandel
Christian Hummert, Forschungsdirektor der Cyberagentur Halle. An seinem Kopf ist Technik befestigt, die es möglich machen soll, Gedanken direkt in Computer zu übertragen.
Foto: Andreas Stedtler
Immer einen Schritt voraus
Von Matthias Müller
Mitten in Halle wird in der Cyberagentur an Deutschlands zukünftiger Sicherheit im Digitalbereich gearbeitet.
Wer an dem schmucken, aber doch äußerlich eher unauffälligen Gebäude im Zentrum von Halle vorübergeht, der ahnt wohl kaum, dass hinter der historischen Fassade an Deutschlands digitaler Zukunft gearbeitet wird. Oder besser gesagt: daran, diese Zukunft so sicher wie möglich zu gestalten.
Genau das steht im Mittelpunkt der Arbeit der Cyberagentur, die in dem restaurierten Altbau ihren Sitz hat. „Wir schauen zehn bis 15 Jahre in die Zukunft“, betont Christian Hummert, Forschungsdirektor der Denkfabrik, die in diesem Jahr ihr fünfjähriges Bestehen feierte. Mittlerweile hat die „Agentur für Innovation in der Cybersicherheit GmbH“ mit mehr als 100 Mitarbeitenden aus unterschiedlichen Fachrichtungen von der Informatik bis zur Geisteswissenschaft ihre Sollstärke erreicht.
Pioniere der Cybersicherheit
Das Personal kann man durchaus als „Pioniere der Cybersicherheit“ ansehen, wie es in einem neuen Imagefilm der Agentur als einprägsamer Slogan auf dem Bildschirm erscheint. Der Film, der auf dem Youtube-Kanal der Institution (youtube.com/@Cyberagentur) zu sehen ist, verbindet futuristische Szenarien aus einer digitalen Welt mit Impressionen aus Halle und zeigt auf, welchen Fragen sich der einzelne Mensch und die ganze Gesellschaft mit Blick auf die digitale Welt stellen müssen: Ist Künstliche Intelligenz (KI) Chance oder Gefahr? Wie ist das digitale Ich gegen Cyberangriffe geschützt? Die Antworten in dem Film klingen optimistisch: KI löse bislang unlösbare Probleme, „die digitale Revolution ist da“.
Chancen und Risiken
Und mit ihr sind es, neben vielen Chancen, auch ernstzunehmende Risiken. „Unsichtbar für viele von uns findet digitaler Krieg statt oder wird zumindest vorbereitet“, so Christian Hummert. Er weist dabei auch auf einen entscheidenden Wandel in der Cybersicherheitsforschung in Deutschland hin. „Das Grundthema unserer Zeit ist Resilienz“, so Hummert. Doch diese „Widerstandsfähigkeit“ reiche nicht aus. Daher stehe für die Cyberagentur künftig das Thema Vigilanz – also proaktive Wachsamkeit – im Fokus.
Hummert vergleicht das zur Veranschaulichung auch schon einmal mit einem Arztbesuch, bei dem man eine stark hustende und niesende Person im Wartezimmer sieht. Würde man sich direkt daneben hinsetzen – oder lieber vorausschauend einige Plätze weiter? Proaktiv vorgehen, um sich zu schützen, das ist der Punkt dabei. Übertragen auf die Arbeit der Agentur heißt das: Es geht darum, sich gegen Angriffe, ob klassische Cyberattacke oder digitale Desinformation, schon zu wappnen, bevor sie uns erreichen.
Dafür koordiniert die Cyberagentur von Halle aus die Forschung an Schlüsseltechnologien der zukünftigen IT-Sicherheit. Mit innovativen, wettbewerbsorientierten Auftragsverfahren finanziert die Institution, die als bundeseigene GmbH dem Bundesinnen- sowie dem Verteidigungsministerium zugeordnet ist, bereits mehrere besonders risikoreiche, aber auch mit hohem Potenzial ausgestattete Forschungsvorhaben. So fließen allein rund 30 Millionen Euro in ein Projekt aus Cottbus, das zum Ziel hat, Maschinen mit menschlichen Hirnströmen zu steuern.
Und während andernorts überhaupt erst einmal an der Entwicklung von Quantencomputern gearbeitet wird, wurde von Halle aus bereits die Forschung an mobilen Systemen angestoßen, finanziert mit rund 35 Millionen Euro. Quantencomputer werden potenziell an den Punkt kommen, an dem sie jeden beliebigen klassischen Computer bei bestimmten Rechnungen sofort in den Schatten stellen, erwarten Experten der Agentur. Etwa bei der sicheren Verschlüsselung von Daten, bei der Berechnung von Klimamodellen – aber auch bei strategischen Simulationen im Bereich der Verteidigung. Mobile Quantencomputer, die transportabel und dennoch robust sind, könnten dabei direkt vor Ort eingesetzt werden. Sicherheit mit solchen Szenarien radikal neu zu denken, das hat sich die Cyberagentur auf die Fahnen geschrieben. Disruptive Ideen sind gefragt. Also jene Einfälle, die ganze Märkte, Produkte und Dienstleistungen komplett verändern oder ersetzen können.
Diesen spannenden Ansatz bringen Vertreter der Agentur als gefragte Gesprächspartner auch immer wieder anderen Menschen im In- und Ausland näher, wie unlängst Hummert auf den Europäischen Forschungs- und Innovationstagen 2025 in Brüssel, einer der zentralen Leitveranstaltungen in diesem Bereich in der EU. In Sachsen-Anhalt ist man dementsprechend stolz darauf, dass eine solche zukunftsweisende Einrichtung wie die Cyberagentur im Land ihren Sitz hat. Ministerpräsident Reiner Haseloff sagte dazu bei der Eröffnung der Agentur: „Mit der Gründung der Cyberagentur wurde ein wichtiger Akzent von Modernität und Innovation gesetzt, der das gemeinsame Engagement von Bund und Land in dieser Region des Strukturwandels deutlich unterstreicht.“
„Unsichtbar für viele findet digitaler Krieg statt.“
Prof. Dr. Christian Hummert
Forschungsdirektor
Drehscheibe für Innovation
Auch auf Bundesebene gibt es immer wieder lobende Worte für das, was die Cyberagentur bereits auf den Weg gebracht hat. Dort ruht man sich aber keineswegs auf solchen Lorbeeren aus. „Das Fundament steht, auf dem wollen wir aufbauen“, erklärte zum Jubiläum die neue Kaufmännische Geschäftsführerin Bettina Bubnys, die im Amt im Sommer auf Daniel Mayer folgte. „Die Cyberagentur ist mitten in der Forschungslandschaft angekommen.“ Genau dort also, wo man als zentrale Drehscheibe für Innovationen in der Cybersicherheit auch sein möchte. Das sind gute Voraussetzungen, im Sinne der digitalen Vigilanz „stets einen Schritt voraus zu sein“, wie es Christian Hummert formuliert.
Ideenwettbewerb
Mit ihren neuartigen Wettbewerben für Ideen und Forschungsprojekte sorgt die Cyberagentur für Aufsehen. Als „HAL2025“ etwa wurde ein bundesweiter Wettbewerb zum Thema „Autonome Systeme im Schwarm“ ausgelobt. Den ersten Platz unter 66 Einreichungen bekam Prof. Dr. Heiko Hamann (Universität Konstanz) für die Idee „Raumdeuter: Robuste Kommunikation und Lokalisierung im heterogenen Schwarm“, dabei geht es um Kommunikation zwischen Robotern.
Platz zwei belegte Martin Matt (Ravensburg) mit „A.P.E.X.“, einer Idee zur Aufklärung unbekannter Umgebungen durch einen Roboterschwarm. Platz drei ging an das Team AutoDrone vom Fraunhofer IFF Magdeburg mit „SENS“, einem System für die cybersichere Gefährdungsbeurteilung von Großveranstaltungen.
Mehr dazu: mz.de/thema/cyberagentur-halle
M. Müller

Cyberagentur Halle
Foto: H.-U. Köhler

